«Bildung und der Erwerb neuen Wissens sind eine unvergleichbare Kraft» - Juristin und Digitalisierungsspezialistin Victoria Abplanalp im Interview


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Artikel, 01.06.2021

Mag. Victoria Abplanalp, BA ist nicht nur firm in den Rechtswissenschaften, sondern auch in den Bereichen Digitalisierung und Bildung. Die wissbegierige Schweizerin hat die Synergie in diesen Disziplinen gefunden und unterrichtet u.a. «Programmieren für Jurist*innen» an der Universität Wien. Wir haben sie zu den Themen Bildung, Digitalisierung und interdisziplinäres Denken befragt und zu einem Interview geladen.

Mag.a Victoria Abplanalp, BA
Mag.a Victoria Abplanalp, BA © Victoria Abplanalp

Liebe Frau Abplanalp, woher in der Schweiz stammen Sie und was hat Sie nach Wien geführt?
Meine Familiengeschichte, beginnend rund um das Jahr 1000, führt nach Bern, wo sich jener Berg befindet, von welchem sich mein Nachname ableitet (die Planalp; https://de.wikipedia.org/wiki/Planalp, Anm. d. Redaktion). Ich selbst verbrachte meine ersten Lebensjahre allerdings in den Kantonen Zug und Zürich. Ein dauerhafter Umzug meiner Kernfamilie nach Österreich führte mich dann nach Wien.

Blickt man auf Ihren Lebenslauf, entdeckt man zahlreiche Richtungen. Sie scheinen ein Tausendsassa zu sein. Welche Wege haben Sie in Ihrer Ausbildung und im Beruf eingeschlagen?
Ich bin überzeugt, unsere zunehmend vernetzte und multidimensionale Welt erfordert es,  interdisziplinär zu denken. Aktuelle Fragestellungen lassen sich in steigendem Ausmass nicht mehr auf Grundlage einer einzelnen Fachdisziplin beantworten – so wie wir es momentan noch aus dem Schulsystem oder auch von Universitäten kennen. Allerdings war mir stets wichtig, mit meiner Ausbildung nicht nur in die Breite zu gehen, sondern auch thematische Schwerpunkte zu setzen, in welche ich mich inhaltlich vertiefe (wie beispielsweise im Technologiesektor).

Meine universitäre Ausbildung absolvierte ich in den Bereichen der Rechts,- als auch internationalen Entwicklungswissenschaften. Letztgenanntes stellt ein interdisziplinäres Studium aus Geschichte, Volkswirtschaft, Politikwissenschaften und Soziologie dar.

Bei meiner Studienwahl bestand mein vorrangiges Ziel darin, mehr von der komplexen Welt zu verstehen, um schlussendlich einen Beitrag zu einer positiveren Zukunft leisten zu können. Denn um etwas verändern zu können, müssen zuerst die unterschiedlichen bestehenden Systemlogiken verstanden werden. (Eloquent zusammengefasst hat dies Nelson Mandela: «Education is the most powerful weapon which you can use to change the world».) In diesem Zusammenhang bieten sich die Rechtswissenschaften hervorragend an, in welchen man über jene Regeln lernt, nach denen wir zusammenleben, sowie die dazugehörigen Hintergründe. Nachdem ich diese faktischen Hintergründe noch eingehender verstehen wollte, entschied ich mich für das weitere Studium der internationalen Entwicklung, ergänzt durch berufliche Stationen ausserhalb kernjuristischer Arbeiten. Denn neben meinen studienbegleitenden Tätigkeiten in diversen internationalen Rechtsanwaltskanzleien habe ich beispielsweise auch in Ihrem Fachgebiet der Diplomatie am Österreichischen Generalkonsulat in New York City berufliche Erfahrungen gesammelt.

Seit Studienabschluss unterrichte ich Jurist*innen als auch Nicht-Jurist*innen verschiedener Universitäten zur Schnittstelle Technologie und Recht (beispielsweise lehre ich im von mir entwickelten Kurs «Programmieren für Jurist*innen» an der juristischen Fakultät der Universität Wien oder im Bereich «digital law» an der Diplomatischen Akademie Wien). Hauptberuflich setze ich zudem mein Wissen momentan in einer internationalen Unternehmens- und Managementberatung ein, insbesondere zu wirtschaftlichen Fragestellungen rund um technologische Inhalte und Digitalisierungsaspekte.

Was ist das verbindende Element in all Ihren Bereichen?
Inhaltlich setze ich seit Jahren einen Schwerpunkt auf Innovation, und in diesem Zusammenhang insbesondere auf Digitalisierungsaspekte, sowie auf Nachhaltigkeitsthemen.

Ein weiteres verbindendes Element wäre Bildung. Denn einerseits bin ich persönlich ein sehr wissbegieriger Mensch. Andererseits sehe ich Bildung auch gesellschaftlich als massgeblichen Faktor an - nicht nur auf inhaltlicher und damit wirtschaftlicher Ebene, sondern auch auf persönlicher. Bildung und der Erwerb neuen Wissens sind eine unvergleichbare Kraft, eigene Reflektions-, und Transformationsprozesse in Gang zu setzen. Entsprechend habe ich bereits zu Studienzeiten gemeinsam mit Kolleg*innen der Universität Wien das «Legal Literacy Project» gegründet. Dieses Projekt vermittelt rechtliches Grundwissen an junge Menschen in mittlerweile fünf österreichischen Bundesländern, indem Rechtswissenschaftsstudierende interaktive Workshops an Schulen halten. Ebenso ist meine Passion für Bildungsthemen ein Grund, warum ich in der universitären Lehre tätig bin.

Digitalisierung ist ein Schlagwort, welches man oft hört. Wie würden Sie jemandem, der noch nie etwas davon gehört hat, Digitalisierung verständlich machen? 
Ich nehme an, dass die Problematik nicht darin besteht, dass Menschen der Prozess der Digitalisierung nicht zugänglich ist, sondern vielmehr wie damit auf persönlicher sowie gesellschaftlicher Ebene umgegangen wird. Es fällt schwer, die mannigfaltigen Vorteile sowie Herausforderungen, welche die Digitalisierung mit sich bringt, einordnen zu können. Entsprechend müsste einerseits Aufklärungsarbeit geleistet werden, um Skeptiker*innen zu begegnen, anderseits sehe ich auch Bedarf darin, Technologie-Begeisterten einen reflektierteren Umgang näher zu bringen.

Welchen Tipp würden Sie jemandem geben, der gegenüber technologischen Neuerungen eher skeptisch ist?
Ich denke, es ist kein verhaltenswissenschaftliches Novum, dass man als Mensch (insbesondere drastischeren) Veränderungen gegenüber initial zumindest verhalten reagiert. Dies gilt auch für den umfassenden Wandel der letzten Jahrzehnte, ausgelöst durch den rasanten wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt. Sich allein dieses Umstandes bewusst zu werden, hilft bereits zu verstehen, dass es nicht am Digitalisierungs-Thema selbst liegt. Dies gestaltet den nächsten und wichtigsten Schritt, sich neuem Wissen in diesem Bereich zu öffnen, einfacher. Bildungseinrichtungen spielen in diesem Prozess eine tragende Rolle.

Und abschliessend noch eine persönliche Frage, die wir traditionsgemäss all unseren Schweizerischen Interviewpartnerinnen und –partnern stellen: Nach all den Jahren in Österreich, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Österreichern und Schweizern sind Ihnen aufgefallen?
Unterschiede fallen mir insbesondere im politischen System auf; Ich würde mir wünschen, dass auch in Österreich vermehrt das Konzept der direkten Demokratie implementiert werden würde, wie es aus der Schweiz bekannt ist. Äusserst positiv ist für mich auch, dass die Schweizerinnen und Schweizer ein Gemeinsamkeitsgefühl zeigen, trotz des Umstandes, dass der Schweiz so eine kulturelle und sprachliche Vielfalt inhärent ist, die sich in ihren 26 Kantonen zeigt. Besonders schön finde ich in beiden Kulturen die Verbundenheit zur Natur und die entsprechende Motivation, diese zu erhalten.

Vielen Dank, liebe Frau Abplanalp, für das Interview!

 

Victoria Abplanalp: «Programmieren für Jurist*innen»
Victoria Abplanalp: «Programmieren für Jurist*innen» © Victoria Abplanalp