Engagement der Schweiz im Westbalkan während der Migrationskrise

Artikel, 11.04.2016

2015 sind gemäss dem UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge mehr als 700‘000 Menschen – vorwiegend aus Syrien, Afghanistan und dem Irak – über die Westbalkan-Route nach Mittel- und Nordeuropa gekommen. Die Schweiz unterstützt im Rahmen der Migrationspartnerschaften  serbische und mazedonische Nichtregierungsorganisationen, welche komplementäre Hilfe leisten zu den Aktivitäten der nationalen Regierungen und der internationalen Organisationen, um die nötigsten Bedürfnisse der zahlreichen Migrantinnen und Migranten zu decken.

Migrantinnen und Migranten warten darauf, offiziell registriert zu werden.
Im Empfangszentrum in Preševo (Serbien) werden die Migrantinnen und Migranten registriert. © DEZA

Marija Cvejic arbeitet bei der von der Schweiz finanziell unterstützten serbischen Nichtregierungsorganisation (NGO) Atina und ist Leiterin der mobilen Teams in Preševo. Die NGO hilft Opfern von Menschenhandel und hat ihre Arbeit nun diesbezüglich auf Migrantinnen und Migranten ausgedehnt. Marija Cvejic erlebt täglich hautnah mit, wie stark die Migrantinnen und Migranten auf die Hilfe ihres Teams zählen: «Jeden Tag hören wir traurige Geschichten, die uns zutiefst berühren und gleichzeitig motivieren, für die Menschen in Not da zu sein. Das Lächeln, die warmen Blicke, die von Herzen kommenden Umarmungen und die Danksagungen der schutzbedürftigen Menschen zeigen, dass unsere Arbeit sinnvoll ist.»

Atina führt Tag und Nacht Einsätze mithilfe sieben mobiler Teams durch, welche meist in den Grenzgebieten in Miratovac und Preševo im Süden und Šid im Norden unterwegs sind.

Seit Juni 2015 standen die etablierten mobilen Teams durchschnittlich 5000 Migrantinnen und Migranten pro Woche bei und wiesen sie an entsprechende Stellen weiter. Die Aktivitäten dieser Teams umfassen unter anderem Soforthilfemassnahmen wie die medizinische Versorgung, die Identifizierung von Menschenhandels-Opfern und von potenziellen Opfern sowie die psychosoziale Unterstützung. Opfer zu identifizieren ist jedoch nicht einfach, weil die lokalen Helferinnen und Helfer bezüglich der Identifikation von betroffenen Frauen zu wenig geschult sind. 

Mariam, Tuba und Hiba – Namen sagen mehr als Zahlen

Gemäss Angaben von Atina ist die Migration gekennzeichnet  durch eine hohe Anzahl an Frauen mit Kindern und minderjährigen Alleinreisenden aus der ärmeren Schicht.  Allein Serbien registrierte während der ersten zwei Monate 2016 94‘605 Migrantinnen und Migranten, 40% davon waren Kinder. Kinder sind für die gut organisierten und breit vernetzten Menschenhändler leichte Opfer, weshalb sich die NGO besonders stark für deren Schutz einsetzt und sie über mögliche Gefahren aufklärt. Die grosse Einsatzbereitschaft der vielen Helferinnen und Helfer gibt den Kindern Kraft und Mut, weiterzumachen. So schätzt auch die 15-jährige Mariam aus Afghanistan die Hilfe sehr: «Wenn ich nicht mehr weitermachen kann, schaue ich in die lächelnden Gesichter der Helferinnen und Helfer, die immer für uns da sind, und rede mir ein, dass ich allein schon deswegen weitergehen muss.»

Hintergrundinformationen

Während die Migrationsbewegungen 2014 vor allem von Nordafrika über das Mittelmeer nach Italien stattfanden, änderte die Route ab Frühling 2015 drastisch und führt seither mehrheitlich aus der Türkei über Griechenland und den Westbalkan nach Mittel- und Nordeuropa. Besonders Mazedonien und Serbien, welche zusammen mit Slowenien und Kroatien als Transitländer auf der Balkanroute liegen, sind aufgrund der enormen Menschenmassen und der Unregelmässigkeit der Migrationsströme stark gefordert. Aus diesem Grund lancierten das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (United Nations High Commissioner for Refugees, UNHCR) und die Internationale Organisation für Migration (IOM) 2015 verschiedene Appelle für mehr Hilfsgelder, welchen die Schweiz gefolgt ist. Das UNHCR setzt sich in den Balkanstaaten insbesondere für eine verbesserte Grenzüberwachung ein und berät die Regierungen dabei, ihr Asylsystem zu verbessern. Auch die IOM arbeitet eng mit Regierungspartnern zusammen, um das Migrations- und Grenzmanagement an den mazedonischen und serbischen Grenzen zu verbessern und den Registrierungsprozess effizienter zu gestalten.

Insgesamt konnte die Schweiz dank der seit 2012 bestehenden Migrationspartnerschaften mit dem Westbalkan innert kürzester Zeit 1,5 Mio. CHF für die Migrationskrise einsetzen. Die Migrationspartnerschaften führen unter anderem Richtlinien in Bezug auf die Steuerung des Asylprozesses und den Kampf gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel auf.