«Ich tue nur Dinge, die einen Wert und eine Bedeutung haben»

Artikel, 26.09.2013

Interview mit dem ehemaligen Kindersoldaten John Kon Kelei aus Südsudan

Weltweit rund 300’00 Buben und Mädchen unter 18 Jahren sind als Kindersoldaten in bewaffnete Konflikte involviert. Zusätzlich etwa eine halbe Million Kinder gehören Armeen oder militanten Gruppen an, die gegenwärtig nicht aktiv kämpfen. Der 30-jährige Südsudanese John Kon Kelei, Referent an der Jahreskonferenz der Entwicklungszusammenarbeit 2013, war fünf Jahre Kindersoldat in der Rebellengruppe Sudan’s People Liberation Army (SPLA) im Süden des Sudans. Später studierte er in den Niederlanden und ist heute Anwalt. John Kon Kelei engagiert sich unter anderem für internationale Standards bei der Reintegration und Rehabilitation von ehemaligen Kindersoldaten. Im Interview, das per E-Mail geführt wurde, schildert er seinen Werdegang, seine Erfahrungen und erklärt, welche Art von Unterstützung er sich für sein Heimatland wünscht.

Wie kam es dazu, dass Sie Kindersoldat wurden und wie haben Sie den Ausstieg geschafft?
Ich wurde mit vielen anderen Kindern zusammen rekrutiert, weil dies die Politik der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA) war. Man konnte nicht einfach fliehen. Es bestand immer das Risiko, erschossen zu werden, wenn man gefasst wurde.

Wieso haben Sie später Internationales und Europäisches Recht studiert?
Ich wollte etwas studieren, mit dem ich meinem Volk in der Heimat helfen kann. Meine erste Wahl war Medizin, aber dann wechselte ich zu Recht, aufgrund der Umstände und weil ich wusste, dass ich vielen Leuten mit meinem juristischen Wissen helfen kann.

Wie beeinflusst Ihre Vergangenheit als Kindersoldat ihr heutiges Leben?
Ich nehme nichts als gegeben, und ich bin überzeugt, dass man hart arbeiten muss, damit sich etwas verändert. Ich tue nur Dinge, die einen Wert und eine Bedeutung haben – kein Schabernack. So hat meine Vergangenheit mich geprägt.

Welche Beziehung haben Sie heute zu ihrem Heimatland, der Republik Südsudan?
Ich liebe mein Land, und ich bin entschlossen, alles zu tun, um die Situation in meinem Land zu ändern.

Wo sehen Sie die politischen und gesellschaftlichen Schwachpunkte von Staaten, in denen Armeen und nicht-staatliche Gruppen Kinder als Soldaten rekrutieren?
Die grösste Schwäche ist der fehlende politische Wille, die Frage der Rekrutierung von Kindersoldaten anzugehen.

Gemäss UNO-Angaben wurden 2012 im Südsudan 252 Knaben zwischen 14-17 Jahren rekrutiert, davon 106 von der Sudan’s People Liberation Army, in der auch Sie gedient haben. Welche Art von Unterstützung braucht der Südsudan, damit dies nicht mehr geschieht?
Es gibt viel zu wenig Schulen, die das Interesse und die Motivation von Teenagern wecken. Zudem braucht es unbedingt Stellen für Jugendliche.

Sie engagieren sich unter anderem für internationale Standards bei der Reintegration und Rehabilitation von ehemaligen Kindersoldaten. Welche Standards braucht es und warum?
Viele Organisationen sind im selben Bereich tätig, arbeiten aber nicht zusammen. Dies ist eine Folge des Mangels an harmonisierten Regeln und Normen.
 

Mit zehn Jahren gelang Kon Kelei die Flucht aus der SPLA in die sudanesische Hauptstadt Khartum. Dort ging er zur Schule und arbeitete nebenbei. Mit dem Geld, das er sparen konnte, engagierte Jon Kon Kelei im Alter von 17 Jahren Schmuggler, die ihn in die Niederlanden brachten. Später studierte er dort Recht und ist heute Anwalt. 2005 gründete er die «Cuey Machar Secondary School Foundation».Die Stiftung setzt sich für die Sekundarschuldbildung von Jungen und Mädchen im Südsudan ein. Daneben ist er Sprecher der niederländischen Organisation War Child, die kriegsgeschädigten Kindern mit psychosozialen und Bildungsprogrammen hilft, und Mitbegründer des Netzwerks Young People Affected by War (NYPAW).