Mehr Reis mit weniger Wasser

Artikel, 28.02.2018

Ein Siebtel des im Schweizer Coop erhältlichen Bio-Reises kommt von kleinen Bauernbetrieben aus Nordindien. Der Reis wird dort biologisch und unter sparsamer Verwendung von Wasser produziert. Dass der Reis unter hohen Umweltstandards angebaut wird, ist der öffentlich-privaten Partnerschaft hinter dem «Water Productivity Project» namens WAPRO zu verdanken, welches die DEZA konzipierte und mitfinanziert.

Ein Bauer zählt Reispflanzen pro Quadratmeter.
Werden Reissetzlinge in grösseren Abständen zueinander gepflanzt, gedeihen sie besser und produzieren grössere Ähren mit mehr Körnern. Diese Technik nennt sich «System of Rice Intensification» (SRI) und spart mehr als 25% Wasser. ©Helvetas

Mit einfachen neuen Anbaumethoden steigerte die Reisbäuerin Sarasvati Yadav ihre Ernte. Durch eine Abnahmegarantie von Coop und den Prämien, die sie für die Einhaltung der Umweltstandards erhält, verdient sie so etwa einen Drittel mehr als vorher. Doch nicht nur das: «Im Training mit WAPRO lernte ich neue Techniken, aber auch wie wichtig der Umgang mit Wasser ist», sagt Sarasvati Yadav. Nach der Schulung war ihr klar: Ihr Dorf muss und kann Massnahmen treffen, um die Wasserversorgung für die umliegenden Reisfelder zu verbessern. Darum gründete sie mit ihren Nachbarinnen und Nachbarn eine «Wasser- und Umweltgruppe», die Wasserkanäle repariert und sich gemeinsam über die Verwaltung des Wassers berät.

Im indischen Bundesstaat Uttarakhand nahmen rund 4200 Bäuerinnen und Bauern an Weiterbildungen zu effizientem Wassereinsatz im Reisanbau teil. Diese Schulungen sind Teil des von der DEZA finanzierten WAPRO-Projekts. Den Reisproduzentinnen und -produzenten werden wassereffiziente Technologien vorgestellt und darüber informiert, wie Wasserinfrastruktur verwaltet werden kann. Denn wie viele Regionen auf der Welt, leidet auch Indien vermehrt unter Wasserknappheit, verursacht durch später einsetzende Monsune, ausbleibenden Regen oder Übernutzung von Grundwasser.

Fairtrade-Reis aus DEZA-Projekt

Insgesamt stammt rund ein Siebtel des gesamten Fairtrade-Reises von Coop aus dem Projektgebiet von WAPRO in Nordindien. Dies entspricht rund 1000 Tonnen, welche dort jährlich für den Schweizer Markt gekauft werden.

Der Grossverteiler und Helvetas unterstützen Bio- und Fairtrade-Reis im indischen Bundesstaat Uttarakhand schon seit 2011. «Wir wollen ein glaubwürdiges und nachhaltiges Produkt anbieten – da kann man Wasser nicht ausklammen», erklärt Annina Böhlen von Coop. Die DEZA machte als erste auf die Wasser-Verwaltung als wichtiger Bestandteil einer ganzheitlichen Lösung aufmerksam. Darum unterstützt WAPRO nun die Bildung von «Wasser- und Umweltgruppen», die den gemeinsamen Verbrauch verwalten. So startete 2015 die Partnerschaft in Indien, bei welcher sich der private und der öffentliche Akteur je zur Hälfte an den Kosten von WAPRO beteiligen. Helvetas setzt das Projekt im Auftrag von der DEZA mit lokalen Partnern vor Ort um.

Wasser ist Teil des nachhaltigen Anbaus

WAPRO konzentriert sich speziell auf die sogenannte Wasserproduktivität im Reis- und Baumwollanbau – das heisst für die Produktion von einem Kilo Reis weniger Wasser zu gebrauchen.

Die DEZA bindet dabei alle Stakeholder als Teil der Lösung ein. Deshalb umfasst WAPRO drei Komponenten: Lokale Betriebsberatung für Bäuerinnen und Bauern, Unterstützung bei Verwaltungs- und Gouvernanzfragen und die Abnahme- und Preisgarantie durch die privaten Partner.

Mehr mit weniger

Kombiniert ermöglichen die in den Schulungen vorgestellten Anbaumethoden eine grössere Ernte mit einem kleineren Einsatz von Produktionsmitteln: Eine Massnahme ist etwa, die Reissetzlinge früher als bisher, dafür mit grösseren Abständen zueinander in die Felder zu pflanzen. Damit hat jede einzelne Pflanze mehr Platz zum Gedeihen und produziert grössere Ähren mit mehr Körnern. Diese Technik nennt sich «System of Rice Intensification» (SRI). In Ergänzung dazu wird «Alternate Wetting and Drying», die AWD-Technik vorgestellt, bei welcher die Reisfelder nicht mehr konstant, sondern nur phasenweise für die Bewässerung geflutet werden. Denn Reis muss gar nicht unter Wasser angebaut werden. Ursprünglich wurden Felder nur geflutet, um mitwachsendes Unkraut zu vernichten.

Gleichzeitig fördert WAPRO den Anbau von Mischkulturen. Sojabohnen etwa lassen sich sehr gut zwischen den Reisreihen pflanzen und versorgen obendrein den Boden mit wichtigem Stickstoff, so benötigt der Reis weniger Dünger. Aber auch Linsen wachsen hervorragend in Nachbarschaft zu Reis. Alleine um diese Mischkulturen zu unterstützen, hat Coop ein neues Produkt entwickelt: eine Reis-Linsen-Quinoa-Mischung.

Biologisch und wassereffizient

Doch Wissen alleine reicht noch nicht, um die Bauern von der Anwendung der neuen Methoden zu überzeugen. Wie im Markt üblich, braucht es Anreize, um von einer Technologie auf eine andere umzusteigen. Darum hat WAPRO die SRI-AWD-Prämie («System of Rice Intensification und Alternate Wetting and Drying Prämie») von einer Rupie pro Kilo Reis eingeführt.

Die SRI-AWD-Prämie wird von den grossen Abnehmern an jene Bäuerinnen und Bauern bezahlt, die gemäss den WAPRO-Standards produzieren. Die Bauern profitieren dabei doppelt; sie haben nebst einem besseren Verkaufspreis auch eine Abnahme-Garantie für ihre Produkte.

Im Bundesstaat Uttarakhand stellten nach dem zweiten Jahr der Einführung bis zu 30% der Bäuerinnen und Bauern ihre Reisproduktion auf die neuen Anbautechniken um. Unter Anwendung der SRI (System of Rice Intensification) sparen sie so mehr als 25% Wasser und mit AWD (Alternative Wetting and Drying), welche weitaus öfters angewendet wird, 20%.

Kollektive Aktionen

Doch auf dem Feld alleine entscheidet sich die Wasserproduktivität nicht. Der grösste Teil des Wassers geht nämlich in der alten Infrastruktur verloren. Marode Wehre oder undichte Kanäle sind oft anzutreffen. Deshalb sind eine gute Bewässerungsinfrastruktur und die damit einhergehende Wasser-Verwaltung von zentraler Bedeutung.

«Das Erfreulichste war zu sehen, dass sich die Bäuerinnen und Bauern nach den Trainings zu gemeinsamen Aktionen aufmachten, um die vom Staat vernachlässigte Bewässerungsinfrastruktur selbst zu reparieren», erklärt Jens Soth von Helvetas. Insgesamt haben sich alleine in Uttarakhand 55 sogenannte «Wasser und Umweltgruppen» zusammengeschlossen. In diesen einigen sich die Reisproduzentinnen und -produzenten, die von einer gemeinsamen Wasserinfrastruktur abhängen, wie sie diese am besten Instand halten und wo Reparaturen nötig sind. Anfallende Kosten für solche Reparaturen bezahlen sie zu einem Teil aus den Fairtrade-Beiträgen. «Wir finden es interessant, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von sich aus die Priorisierung bei der Wasserinfrastruktur sehen», sagt Jens Soth. Denn über die Fairtrade-Prämie kann ohne Vorgaben verfügt werden. Sie teilt sich in zwei Auszahlungen auf: eine direkt an die Produzentinnen und Produzenten und eine an die Kooperative. Letztere wird nun eben von den «Wasser und Umweltgruppen» für die Wasser-Verwaltung («Water Stewardship») aufgewendet. Einen weiteren Teil für die Verbesserung der Bewässerungsinfrastrukturen trägt Coop über ihre Klimaschutzaktivitäten bei, denn im Reisanbau werden mit geringerem und effizienterem Wasserverbrauch auch gleichzeitig weniger Treibhausgase emittiert.

frisch reparierter Wasserkanal, der durch zwei trockene Felder fliesst.
Nach der Schulung von WAPRO reparierte die «Wasser- und Umwelgruppe» vom nordindischen Dorf Kyari den Wasserkanal auf einer Länge von 500 Metern. © Helvetas
Zwei Männer schreiten einen Bewässerungskanal, der entlang einer Steinmauer fliesst, ab, um dessen Zustand zu evaluieren.
Gemeinsame Wasser-Verwaltung bedeutet, die Bewässerungsinfrastruktur regelmässig zu begutachten und gemeinsam Massnahmen zu planen, wie diese repariert oder verbessert werden soll. © Helvetas

Gleiche Frage, ähnliche Lösung

Insgesamt ist WAPRO in sieben Regionen in Tadschikistan, Kirgistan, Pakistan und Indien tätig. Überall stehen wassersparende Anbaumethoden und die Stärkung der Wasser-Verwaltung im Vordergrund. Die Bäuerinnen und Bauern sollen die Möglichkeit haben, selber ihren Wasserverbrauch effizienter zu gestalten, aber auch ihre lokalen und regionalen Behörden in die Pflicht zu nehmen, besser für die Infrastruktur zu sorgen. Ein Total von rund 47’000 Bäuerinnen und Bauern nahmen schon an den Trainings von WAPRO teil und setzen sich für eine bessere Wasser-Verwaltung in ihrer Region ein.

«Bei WAPRO spannen die DEZA und ihre indischen Partnerorganisationen erfolgreich mit der Privatwirtschaft zusammen – eine mehrseitige Win-Win-Lösung. Die Reisbauernfamilien erzielen einen besseren Verdienst und schonen gleichzeitig Wasser und Umwelt, unser aller gemeinsames Gut. Bedeutende Lebensmittelunternehmen können den gesunden und fair produzierten Bio-Reis profitabel vermarkten, wovon wir Konsumentinnen und Konsumenten letztlich mit einem gesunden Lebensmittel profitieren», fasst DEZA-Direktor Manuel Sager die mehrstufige Wirkung des Projekts zusammen.