Kindersoldaten – ein globales Problem und ein Kriegsverbrechen

Artikel, 26.09.2013

Gemäss UNO-Definition sind Kindersoldaten Personen unter 18 Jahren, die als Teil einer bewaffneten Streitkraft oder Gruppe direkt oder indirekt an einem bewaffneten Konflikt teilnehmen. Dabei werden die Mädchen und Knaben nicht nur als Kämpfer, sondern auch als Köche, Aufseher, Träger oder Nachrichtenübermittler eingesetzt oder für Selbstmordattentate missbraucht. Mädchen werden oft sexuell missbraucht oder zu einer Heirat gezwungen.

Über 50 Organisationen oder Gruppierungen weltweit rekrutieren gegenwärtig Kindersoldaten. Die Rekrutierung und der Einsatz von Kindersoldaten unter 15 Jahren ist gemäss des Römer Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag (Niederlande) ein Kriegsverbrechen.

Globales Problem
Weltweit gibt es laut UNO-Angaben rund 300‘000 Mädchen und Knaben, die als Kindersoldaten im Einsatz sind. Sie gehören staatlichen Armeen oder Rebellengruppen an. In Afrika und Asien ist die Situation besonders kritisch. Aber auch Regierungen und bewaffnete Gruppen in Europa, Nord-, Mittel- und Südamerika sowie im Mittleren Osten rekrutieren Kinder unter 18 Jahren. Zusätzlich gehören zahlreiche Kinder einer momentan inaktiven Armee oder militanten Gruppe an.

Rechtlicher Rahmen und Schutzmassnahmen
2005 richtete der UNO-Sicherheitsrat ein Überwachungs- und Meldesystem ein, um den Missbrauch von Kindern als Soldaten besser überwachen, dokumentieren und melden zu können.

Seit 1977 gibt es rechtlich festgelegte Altersgrenzen für die Rekrutierung und den Einsatz von Soldaten in einem bewaffneten Konflikt:

  • Zusatzprotokolle zu den vier Genfer Konvention (1977):
    Das Minimalalter 15 für die Rekrutierung und den Einsatz im Kriegsfall wird festgelegt.
  • UNO-Kinderrechtskonvention (1989):
    Die Konvention schreibt das Minimalalter 15 für die Rekrutierung von Soldaten und für den Einsatz in einem bewaffneten Konflikt vor. Die Kinderrechtskonvention ist der am meisten ratifizierte Menschenrechtsvertrag. 193 Staaten haben sich zur Umsetzung verpflichtet, einzig die USA und Somalia haben die Konvention nicht unterschrieben. Die Konvention wurde um drei Zusatzprotokolle ergänzt. Eines davon soll Kinder in bewaffneten Konflikten besser schützen. Das Zusatzprotokoll trat am 12. Februar 2002 in Kraft. Das Mindestalter für eine direkte Teilnahme an kriegerischen Konflikten, Rekrutierungen für bewaffnete Gruppen und für den obligatorischen Militärdienst wurde darin auf 18 erhöht.
  • Afrikanische Charta über die Rechte und das Wohl des Kindes (1990):
    Die Charta ist der einzige Vertrag mit regionalem Charakter, der das Thema Kindersoldaten behandelt. Die Charta verbietet die Teilnahme von Personen unter 18 Jahren an Kampfhandlungen. Zudem werden Staaten aufgefordert, keine Kindersoldaten zu rekrutieren.
  • Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (1989):
    Das Statut verbietet den Einsatz von Kindern unter 15 Jahren in bewaffneten Armeen und Gruppen sowie in Kriegshandlungen. Zudem wurde festgelegt, dass es sich bei der Rekrutierung von Soldaten unter 15 Jahren um ein Kriegsverbrechen handelt.

2005 richtete der UNO-Sicherheitsrat ein Überwachungs- und Meldesystem ein, um den Missbrauch von Kindern als Soldaten besser überwachen, dokumentieren und melden zu können. Es wurden sechs Kategorien schwerwiegenden Missbrauchs definiert («The Six Grave Violations»), die bei der Sammlung von Beweisen als Basis dienen:

  • Töten und verstümmeln von Kindern
  • Rekrutierung und Einsatz von Kindern als Soldaten
  • Sexuelle Gewalt gegen Kinder
  • Angriffe auf Schulen und Spitäler
  • Verweigerung des Zugangs zu humanitärer Hilfe für Kinder
  • Entführung von Kindern

Der jüngste UNO-Bericht über Kinder in bewaffneten Konflikten («Children and armed conflict: Report of the Secretary-General») vom Mai 2013 listet Länder auf, die 2012 die Rechte von Kindern in einer der oben genannten Formen verletzt haben. Es stehen 17 Länder und Regionen, darunter Afghanistan, Myanmar, Syrien, Sudan und Südsudan, im Fokus der UNO.

Im damaligen Süden des Sudans, wo der interviewte John Kon Kelei Kindersoldat war, gehörten nach dem Ende des Bürgerkriegs 2005 rund 12‘000 Kinder zu bewaffneten Gruppen, heute sind es noch etwa 1200. Immer noch werden neue Kindersoldaten rekrutiert. Gemäss des UNO-Berichts über Kinder und bewaffnete Konflikte aus dem Jahr 2013 wurden im Vorjahr 252 Knaben im Alter zwischen 14–17 Jahren als Kindersoldaten rekrutiert; 106 davon von der «Sudan People’s Liberation Army» (SPLA).

1996 beauftragte die UNO zum ersten Mal eine Person zum Schutz von Kindersoldaten. Gegenwärtig ist Leila Zerrougui UNO-Sonderbeauftragte für Kinder in Konflikten.

«Sudan People’s Liberation Army»: Von der Guerillamiliz zur Regierungspartei

Die Anfänge der SPLA gehen aufs Jahr 1983 zurück, als John Garang, damaliger Chef einer sudanesischen Militärschule, die Fronten wechselte und sich einer Guerillagruppe anschloss, um für die Unabhängigkeit des nicht-muslimischen südlichen Sudans von der islamistischen Regierung in Khartum zu kämpfen. Im Bürgerkrieg von 1983–2005 kämpften die sudanesische Regierungsarmee «Sudan Armed Forces» (SAF) gegen die Rebellen der «Sudan People‘s Liberation Army».

Am 9. Januar 2005 unterschrieben die sudanesische Regierung und die SPLA ein umfassendes Friedensabkommen («Comprehensive Peace Agreement», CPA). Darin wurde vereinbart, dass im Süden nach sechs Jahren entschieden wird, ob er in der Einheit mit dem Norden bleiben will oder ob es zur unabhängigen Staatsgründung kommt. John Garang wurde zum Vizepräsidenten des Sudans ernannt. Im Januar 2011 sprachen sich über 90 Prozent der Südsudanesen für die Unabhängigkeit aus – am 9. Juli 2011 wurde Südsudan offiziell gegründet, als 54. Staat Afrikas. John Garang starb 2005 bei einem Hubschrauberabsturz.