18.03.2016

Das Schweizer Engagement zum Schutz von Menschen in vergessenen Konflikten. Botschafter Manuel Sager, Direktor DEZA. Parkarena Oberwinterthur, 18. März 2016.

Rednerin/Redner: Manuel Sager

Exzellenzen, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde der Humanitären Hilfe,

Bundesrat Didier Burkhalter hat es in seinen Ausführungen deutlich gemacht: Syrien begeht heute einen traurigen Jahrestag. Fünf Jahre Krieg, fünf Jahre menschliche Not, fünf Jahre Hunger und Elend.

Amin steht stellvertretend für Millionen anderer Menschen aus der Krisenregion. Ich habe ihn letztes Jahr während meiner Reise nach Jordanien getroffen. Amin ist mit seiner Familie aus Syrien geflüchtet und lebt mit ihr am Rande der jordanischen Stadt  Mafraq.

-     Bevor der Bürgerkrieg in Syrien ihn zur Flucht zwang, führte Amin ein ganz normales Leben als Familienvater in seiner Heimatstadt Dara‘a. Seine Zukunft hatte er sich gewiss anders vorgestellt…

-     Im Vergleich zu vielen anderen Flüchtlingen hatte Amin noch Glück: er schaffte die Flucht aus Syrien mit seiner Familie.  Dank Schweizer Unterstützung (Beitrag an das Cash-for-Shelter Programm der NGO Medair) konnte er sich eine bescheidene Behausung leisten.

-     Für viele anderen in den Flüchtlingslagern ist die Lage hingegen oft prekär (knappe Wasserversorgung, Nahrungsmittel, kaum Bildungsangebot, Untätigkeit).

 

Die dramatischen Bilder von Menschen auf der Flucht und in den Kriegswirren von Syrien haben weltweit eine Welle der Betroffenheit ausgelöst. Unterdessen sind hier in Europa aus diesen Bildern zu Hunderttausenden Menschen in unserer Mitte geworden.

Sehr geehrte Damen und Herren

Das Heimatland von Rosette steht weniger in den Schlagzeilen. Rosette lebt im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Ich konnte die Gegend vor zwei Monaten besuchen. Rosette ist gezeichnet vom Krieg, der seit über 20 Jahren in ihrer Heimatregion wütet. Regelmässig musste sie Haus und Gut zurücklassen und wurde Opfer von sexueller Gewalt. Insgesamt leben 1.6 Millionen Menschen als Vertriebene im eigenen Land.

Die Krise im Kongo ist nur eine von vielen, die in unseren Breiten in Vergessenheit geraten sind. Auch im Süd Sudan und in Afghanistan oder in der Ukraine spitzt sich die humanitäre Notsituation weiter zu.

Weshalb schwelen diese Krisen abseits unserer Aufmerksamkeit? Ist es, weil die Menschen nicht nach Europa gelangen? Oder ist die Weltöffentlichkeit kriegsmüde geworden? Die Gründe sind vielfältig, die Ungleichbehandlung von Menschen in Not ist aber niemals gerechtfertigt. Genau hier setzt die Humanitäre Hilfe der Schweiz an.

Unser Engagement orientiert sich einzig an den Bedürfnissen der Menschen in Not. Auch dann noch, wenn die Kameras weitergezogen sind.

Ob in Syrien, Afghanistan oder im Süd Sudan - die Menschen wollen vor allem eins: Schutz vor Gewalt, Verfolgung, Unterdrückung und Angst. Dieses Schutzbedürfnis ist ein Hauptanliegen der humanitären Agenda, die am WHS im Mai in Istanbul verabschiedet werden soll.

Der Schutz von Zivilpersonen stand auch schon immer zuoberst auf der Liste der Prioritäten der humanitären Schweiz  - als Vertragspartei und Depositarstaat der Genfer Konventionen.  

Nehmen Sie das Beispiel Kolumbien:

Dort besteht nach einem jahrzehntelangen, blutigen Konflikt gewisse Hoffnung auf ein Friedensabkommen und einen Neuanfang. Allerdings bleibt das grosse soziale Gefälle zwischen Arm und Reich weiterhin bestehen. Das gleiche gilt für die Landminen, die wohl heimtückischste aller Waffen. In Kolumbien sind jährlich mehr Opfer von Landminen zu beklagen als im Irak oder in Kambodscha. Durch Unterstützung der Schweiz konnten seit 2013 rund 1‘500 Minenopfer medizinisch und psychologisch betreut und zum Teil auch in den Arbeitsmarkt integriert werden. Die Schweiz bekämpft aber auch die Ursachen, indem sie sich für die humanitäre Minenräumung einsetzt.

Seit 2011 die Generäle in Myanmar die Uniformen auszogen und das Land zu reformieren begannen, hat sich für ein Grossteil der Bevölkerung das Leben verbessert – nicht jedoch für Asranal.  Das Mädchen gehört zur muslimischen Volksgruppe der Rohingya, eine der am meisten verfolgten Minderheit der Welt. Asranal ist staatenlos und rechtlos. Unter schwierigsten Lebensumständen muss sie im Flüchtlingslager ausharren. Einmal pro Woche darf sie sich an einen kinderfreundlichen Ort im Flüchtlingscamp zurückziehen und unbeschwert mit ihren Freundinnen spielen, basteln und singen. Dieses Beispiel zeigt die enge Zusammenarbeit der DEZA mit UNICEF.

Sehr geehrte Damen und Herren

Die Liste vergessener Krisen und Konflikte ist leider viel länger als die aufgeführten Beispiele. Die Humanitäre Hilfe der Schweiz setzt sich konsequent für den Schutz von Menschen in bewaffneten Konflikten ein. In der neuen Botschaft 2017-2020 gehören Schutz und Bekämpfung sexueller und geschlechterspezifischer Gewalt zu den Schwerpunkten der Humanitären Hilfe.  

Humanitäre Hilfe ist allerdings kein Wundermittel. Bundesrat Didier Burkhalter hat ihre Grenzen aufgezeigt: Die Humanitäre Hilfe kann und muss Not und Leiden lindern, aber sie kann keine politischen Konflikte lösen. Dafür braucht es andere Instrumente der Aussenpolitik; so insbesondere die Friedenspolitik - eine weitere Priorität der Schweizer Diplomatie.  

Lassen Sie mich zum Schluss auf die persönlichen Schicksale von Amin, Rosette und Asranal zurückkommen. Sie alle haben Anrecht auf ein menschenwürdiges Leben, frei von Not und Gewalt.

Unsere Aufnahmefähigkeit ist beschränkt, und sie wird es im Zeitalter der ausgelagerten Speicherkapazitäten immer mehr. Das gilt auch, oder gerade, für Schreckensmeldungen aus abgelegenen Gegenden der Welt. Das ist menschlich nachvollziehbar, darf aber nicht als Handlungsmaxime für uns Schweizer gelten, die wir doch zu Recht Stolz sind auf unsere humanitäre Tradition sind.

Danke, dass Sie nicht übersättigt oder resigniert wegschauen. Danke, dass Sie durch Ihren eigenen Einsatz als Profis oder als Bürgerinnen und Bürger zur Linderung der Not auf dieser Welt beitragen. Und danke, dass Sie uns durch Ihre Anwesenheit heute Mut machen, auf diesem Weg weiterzugehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


Letzte Aktualisierung 29.01.2022

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