Ebola: Die Humanitäre Hilfe macht sich am Rande von Bern startklar

Verschiedene Personen nehmen an einer Sitzung der Einsatzleitung Ebola der Humanitären Hilfe in Köniz teil.
Die Einsatzleitung Ebola koordiniert die Massnahmen gemeinsam mit allen betroffenen Stellen des Bundes. © DEZA

Bei grösseren humanitären Krisen bildet die humanitäre Hilfe des Bundes so genannte Einsatzleitungen, die in regelmässigen Abständen zusammenkommen, um die aktuelle Lage zu erörtern und operative Entscheidungen zu treffen. Im Fall der Ebola-Epidemie hält die Einsatzleitung Besprechungen mit Vertretern anderer Departemente des Bundes sowie nichtstaatlichen Partnerorganisationen in Köniz (BE) ab.

An diesem Montag Anfang Oktober 2014 kommen etwa 30 Personen im Saal für Strategiesitzungen der Humanitären Hilfe zusammen, die ihren Standort an der Sägestrasse Nr. 77 im Berner Vorort Köniz hat. Es ist 13.28 Uhr, und die Stühle reichen nicht aus. Aus einem Nachbarbüro geholte Sessel dienen als Ersatz. Eine Leiterin des Stabs der Humanitäre Hilfe, die für den Ablauf der Sitzungen der Einsatzleitung Ebola zuständig ist, kommt gleich zur Sache: «Guten Tag! Wir danken Ihnen allen, hier zu sein… Ist Hochdeutsch gut? Oder sollten wir Französisch sprechen?»

Aus Genf angereist

Schliesslich kommen die Teilnehmer der Krisensitzung von überall her. An diesem Montag sind zwei Vertreter von Médecins Sans Frontières Schweiz aus Genf angereist. Eine Amtskollegin des Schweizerischen Roten Kreuzes ist ebenfalls anwesend. Auch die Schweizer Armee ist durch einige uniformierte Militärangehörige und zwei hohe Beamte des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) vertreten. Das EDA hat den Delegierten für Humanitäre Hilfe, Manuel Bessler, entsandt, der gerade von einer Mission im Gazastreifen zurückgekehrt ist. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Humanitären Hilfe sind unter anderem von Kollegen der Südzusammenarbeit der DEZA, der Politischen Direktion und des Krisenmanagement-Zentrums sowie des Sicherheitsdienstes des EDA umgeben. Auch eine Mitarbeiterin des Bundesamts für Gesundheit (BAG) ist anwesend.

Zu Beginn werden die jüngsten Nachrichten aus Westafrika, Genf und New York erörtert: Anstieg der Zahl der Opfer, Überblick über die laufenden humanitären Anstrengungen in Afrika, letzte Meldungen der Mitte September 2014 eingesetzten Mission der Vereinten Nationen für Ebola-Nothilfemassnahmen (UNMEER)... Einige Teilnehmer machen sich Notizen. Andere haben ihre Informationen schon hier und da aus E-Mails bezogen, die täglich zwischen den Fachleuten im Umlauf sind.

Wohl mehr Fälle als gemeldet

Der Einsatzleiter von MSF Schweiz (das 250 internationale Mitarbeitende vor Ort beschäftigt) ergreift das Wort: «Wir sehen keine nennenswerte Verbesserung der Lage. Ehrlich gesagt macht uns die Situation wirklich Sorgen, zumal wir glauben, dass die gemeldete Zahl der Fälle weitaus zu niedrig angesetzt ist. In praktischer Hinsicht muss Guinea, das am besten organisierte Land, Kranke aus Liberia und Sierra Leone versorgen, was nicht ohne Folgen bleibt...»

Die Vertreterin des Schweizerischen Roten Kreuzes weist darauf hin, «dass das medizinische Personal offenbar nach und nach ein positives Bewusstsein bezüglich seiner Rolle bei der Epidemie entwickelt». Manuel Bessler fragt: «Welche praktischen Konsequenzen kann Ihrer Meinung nach eine zwangsläufig langsame – weil komplexe – Bereitstellung der von UNMEER vorgesehenen Hilfe haben?» Wie jedes Geberland benötigt nämlich auch die Schweiz ein Mindestmass an Zeit, um auf die Anfragen der UNO zur Bereitstellung von Material und Personal zu reagieren.

Antwort von MSF Schweiz: «Der Bedarf ist äusserst dringend. Mit jeder Woche, die wir verlieren, wächst die Zahl der Infektionsfälle exponentiell. Nicht nur die Versorgung der Kranken, sondern auch die Bergung der Leichen ist unzulänglich. Den Meldungen zufolge gibt es in der Hauptstadt Monrovia täglich 130 Todesfälle. Unsere Organisation kümmert sich um den Transport von etwa 30 Leichen ins Krematorium. Die Regierung übernimmt ebenfalls 30 Leichen. Rechnen Sie selbst: Es besteht ein klares Manko.»

Mehrere Millionen Franken bereitgestellt

Die Humanitäre Hilfe der Schweiz ist bereits vor diesen beunruhigenden Erkenntnissen aktiv geworden. Seit dem Ausbruch der Epidemie im März 2014 unterstützt sie lokale Behörden und Partnerorganisationen in Westafrika. Sie hat mehrere Millionen Franken für die Bekämpfung von Ebola und die Stärkung der Gesundheitssysteme der betroffenen Länder bereitgestellt und bereits mehrere Sachverständige nach Liberia entsandt, die das humanitäre Büro der DEZA in Monrovia verstärken sollen. Die Einsatzleitung Ebola wurde Ende September mit dem Ziel gebildet, alle verfügbaren Daten zusammenzutragen und alle künftigen Massnahmen in Zusammenarbeit mit den betroffenen Stellen des Bundes zu koordinieren.

Nach einer informativen Tischumfrage wird erneut auf die bereits realisierten oder geplanten Massnahmen der Humanitären Hilfe hingewiesen. Dies ist auch der Zeitpunkt für strategische Entscheidungen. Die Programmverantwortliche für Ebola in Köniz erläutert, dass die Humanitäre Hilfe nicht nur gegen die Ausbreitung des Virus vorgeht, sondern auch den Zugang der Bevölkerung zu grundlegender Gesundheitsversorgung ausbaut, der infolge der kollektiven Panik wegen des Virus vernachlässigt wurde. Geplant sind neue Kooperationsprojekte mit UNICEF und dem Universitätsspital Genf (HUG). Weiter ist zu erfahren, dass die Plattform, welche die DEZA als Begegnungsforum für die am Kampf gegen Ebola beteiligten Schweizer Nichtregierungsorganisationen geschaffen hat, einem echten Bedürfnis entspricht.

Schliesslich sprechen die Teilnehmenden eine letzte Initiative an, die in den kommenden Wochen durchaus von sich reden machen könnte: Die Schweizer Armee wird die UNMEER möglicherweise durch die Bereitstellung von Hubschraubern, Gabelstaplern und Generatoren (neben anderem Gerät) unterstützen. Das VBS und die DEZA führen derzeit einen schriftlichen Austausch. Der Bundesrat soll demnächst konsultiert werden. Die im Saal anwesenden Militärangehörigen können gegebenenfalls ihre Vorgesetzten über die enormen Bedürfnisse informieren, die an diesem frühen Nachmittag ermittelt wurden.

Angehörige der Schweizer Armee hören aufmerksam zu.
Mitarbeiter des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) in Uniform oder Zivil informieren sich über die jüngsten Entwicklungen der Ebola-Krise. © DEZA

Impfstoff-Tests

14.35 Uhr Die Zeit läuft davon. Olivier Hagon, Leiter der Fachgruppe Medizin des Schweizerischen Korps für Humanitäre Hilfe (SKH), möchte noch zwei Neuigkeiten mitteilen: Ab Anfang November 2014 werden im HUG und im Universitätsspital Lausanne (CHUV) parallel zwei Tests von Ebola-Impfstoffen an gesunden Freiwilligen erprobt, während die ETH Lausanne (EPFL) grosses Interesse daran hat, verbesserte – d. h. für das medizinische Personal leichter tragbare – Schutzkleidung zu entwickeln.

So viele Entwicklungen, die es zu verfolgen gilt... Für heute wird die Sitzung geschlossen. «Die nächste Sitzung der Einsatzleitung findet nächste Woche am selben Ort und zur selben Zeit statt», kündigt die Stab-Leiterin an. Und der Saal leert sich rasch.

 

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