«Gemeinsame Positionen definieren und international vertreten»

Artikel, 11.11.2013

Thoennissen zieht Bilanz nach drei Jahren Schweizer Vorsitz der europäischen Agrarforschungsplattform EIARD.

Die Schweiz hat drei Jahre lang (2011 bis 2013) den Vorsitz der Europäischen Initiative für Agrarforschung im Dienste der Entwicklung (EIARD) inne. In dieser Initiative haben sich die EU-Staaten, die Europäische Kommission, die Schweiz und Norwegen zusammengeschlossen, um europaweit die Koordination zu erleichtern und gemeinsame europäische Positionen zu erarbeiten, die sodann auf internationaler Ebene vertreten werden. Ein Gespräch mit Carmen Thoennissen, Vorsitzende der EIARD und Mitarbeiterin des DEZA-Globalprogramms Ernährungssicherheit.

Sie waren drei Jahre lang Vorsitzende der Europäischen Initiative für Agrarforschung im Dienste der Entwicklung (EIARD). Was ist der Mehrwert dieser Initiative?
Den Mehrwert würde ich vor allem in den Begegnungen unserer Arbeitsgruppe sehen. Sie sind sehr wichtig für eine ausführliche Debatte der Themen, mit denen wir uns in der Agrarforschung beschäftigen. Auf der Grundlage dieser Debatte formulieren wir gemeinsame europäische Positionen, die wir dann im Rahmen der Globalen Partnerschaft für Agrarforschung für eine Welt ohne Hunger (CGIAR) international vertreten. Auf diese Weise vermeiden wir auch endlose Diskussionen im Verwaltungsrat des CGIAR-Fonds. Da die europäischen Beiträge im Fonds sehr hoch sind – sie machen mehr als 45 % aus– sind die europäischen Positionen praktisch unumgänglich.

Welche Bilanz ziehen Sie nach drei Jahren Vorsitz?
Eine sehr positive Bilanz. Als ich den Vorsitz übernahm, habe ich mir vorgenommen, mehrere Herausforderungen aufzugreifen. Ich wollte zum Beispiel aus dieser sehr heterogenen Gruppe ein Team machen. Zudem wollte ich für die Verteilung der Sitze im Verwaltungsrat des CGIAR-Fonds ein transparentes Vertretungs- und Turnussystem einführen. Kurz vor dem Ende meiner Amtszeit kann ich nun feststellen, dass diese Ziele nicht nur erreicht, sondern sogar übertroffen sind. Mein norwegischer Nachfolger kann zuversichtlich sein Amt antreten

Die Globale Partnerschaft für Agrarforschung für eine Welt ohne Hunger (CGIAR) ist weltweit die wichtigste einschlägige Plattform. Sie wurde in den letzten Jahren grundlegend umstrukturiert. Spielte die EIARD dabei eine Rolle?
Selbstverständlich hat sich die EIARD für die Reform eingesetzt. Wir haben aktiv in den Arbeitsgruppen, die die neuen Strukturen der CGIAR entwickelten, mitgearbeitet.

Lässt sich kurz zusammenfassen, was sich in der CGIAR verändert hat?
Die Reform soll die CGIAR leistungsfähiger machen. Die CGIAR soll die Fähigkeit haben, grosse, globale Forschungsprogramme durchzuführen und ihre Wirksamkeit zu erhöhen, anstatt tausende kleine und kaum koordinierte Forschungsprojekte zu verwalten.
Zu diesem Zweck haben sich die fünfzehn Forschungszentren der CGIAR, die zumeist auf eine bestimmte Feldfrucht/ Ackerkultur – wie etwa Reis, Kartoffeln etc. – spezialisiert sind, zu einem Konsortium zusammengeschlossen. Auch die Geber schlossen sich zusammen und koordinieren die Zuweisung der Mittel, die der CGIAR direkt zur Verfügung gestellt werden. Diese werden in die sechzehn thematischen Forschungsprogramme investiert, welche auf der Grundlage eines strategischen Rahmens organisiert sind. Derzeit befinden wir uns in einer Übergangsphase, denn 2012 wurden lediglich 43% des CGIAR-Budgets über den Fonds verwaltet.

Die Schweizer Agrarforschung hat sich bewährt. Fördert die Schweiz dieses Modell in den Ländern des Südens?
Wenn die Entwicklungsländer über staatliche Agrarforschungsanstalten und Beratungsdienste verfügen würden, die so leistungsfähig und so gut finanziert sind wie unsere Agroscopes und Hochschulen, dann wäre die CGIAR mit ihren jetzigen Aufgaben wohl überflüssig. Es gibt zwar leistungsfähige staatliche Forschungseinrichtungen in China, Brasilien und Indien, doch in den armen Ländern bleibt noch viel zu tun und zu finanzieren. Neue Pflanzensorten fallen nicht vom Himmel!

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der CGIAR arbeiten eng mit den staatlichen Agrarforschungsanstalten der armen Länder zusammen. Gemeinsam legen sie die Forschungsprioritäten fest, schulen Personal, bilden Teams in den Forschungsprogrammen und bieten Partnerhochschulen Zugang zur Expertise der CGIAR. Darüber hinaus unterstützen sie die Einführung von Innovationen und die Gestaltung geeigneter politischer Massnahmen.

Der Bedarf übertrifft allerdings bei Weitem das, was die CGIAR mit ihren trotz allem bescheidenen Mitteln leisten kann. Aus diesem Grund achten wir darauf, dass die Forschung ergebnisorientiert ist und dass diese Ergebnisse spürbar zur Armutsbekämpfung und zur Verbesserung der Ernährungssicherheit beitragen. Die Verbreitung der schweizerischen, europäischen, australischen oder US-amerikanischen Forschungssysteme-Modelle in den armen Ländern würde erhebliche Investitionen erfordern. Die Unterstützung dieser Länder durch die CGIAR ist eine Zwischenlösung. Wollen wir die weltweiten Herausforderungen wirklich annehmen, dann sind weitaus umfangreichere Mittel notwendig.