Der Stipendienfonds Sciex-NMS.ch: Vier AkademikerInnen gewähren einen Einblick ins Programm

Artikel, 01.02.2012

2009 sind die ersten von insgesamt über 450 AkademikerInnen aus den neuen EU-Mitgliedstaaten ins Stipendienprogramm des Schweizer Erweiterungsbeitrags aufgenommen worden. Der Gesamtbetrag des länderübergreifenden Stipendienfonds beträgt 45 Millionen Schweizer Franken und ermöglicht jungen, talentierten Forschenden einen maximal zweijährigen Forschungsaufenthalt in der Schweiz. Vier AkademikerInnen geben Einblick in ihren Aufenthalt und dem Programm somit ein konkretes Gesicht.

TeilnehmerInnen des Stipendienprogramms
Am 19. Oktober 2011 trafen sich über 100 TeilnehmerInnen des Stipendienprogramms an einem Informations- und Diskussionsanlass. Einige der AkademikerInnen präsentierten zudem ihre Forschungsarbeiten. Die Teilnehmenden nutzten den Anlass auch, um Gleichgesinnte zu treffen und Erfahrungen auszutauschen. © DEZA

Das durch den Schweizer Erweiterungsbeitrag finanzierte Stipendienprogramm Scientific Exchange Programme between the New Member States and Switzerland, kurz „Sciex-NMS.ch“, ermöglicht DoktorandInnen und Post-DoktorandInnen aus den neuen EU-Mitgliedstaaten einen Forschungsaufenthalt in der Schweiz. Insgesamt wird das Programm in etwa 460 AkademikerInnen unterstützen. Das Programm mit einem Gesamtvolumen von 45 Millionen Schweizer Franken ist offen für Forschende aus Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowenien, der Slowakei, Tschechien sowie Ungarn. Durch den Aufenthalt in der Schweiz sollen die individuellen Kompetenzen der WissenschaftlerInnen gestärkt, der akademische Austausch gefördert und gemeinsam zukunftsweisende Forschungsansätze entwickelt werden. Die Schweiz bringt dabei ihre Stärken im Bildungs- und Forschungsbereich ein und festigt gleichzeitig den Kontakt zu akademischen Netzwerken in den neuen EU-Mitgliedstaaten.

Im Gegensatz zu anderen Stipendienprogrammen fördert Sciex-NMS.ch die Vernetzung Schweizer Hochschulen durch den aktiven Einbezug der ausländischen Institutionen ins Programm. Sciex-NMS.ch wurde 2009 gestartet und dauert noch bis 2016. Für die Programmkoordination ist die Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten (CRUS) zuständig. Die Umsetzung erfolgt durch die Zusammenarbeit von ausländischen mit schweizerischen Hochschulen und der verantwortlichen Mentoren (Professoren).

Die Kosten eines Auslandaufenthaltes in der Schweiz – oft eine zu hohe Hürde

Wer sich nach einem erfolgreichen Studium der Forschung widmen will, entschliesst sich in den meisten Fällen zum Verfassen einer Doktorarbeit. Wer danach eine akademische Fachkarriere oder eine Tätigkeit als ProfessorIn ins Auge fasst, kommt um eine Stelle als Post-DoktorandIn nicht herum. Das Sammeln von Erfahrungen an verschiedenen Forschungsinstituten auch im Ausland stellt dabei in einigen Fachrichtungen oft einen notwendigen Schritt zu einer erfolgreichen Habilitation und einer akademischen Laufbahn dar. Vielen AkademikerInnen aus den neuen EU-Mitgliedstaaten bleibt es jedoch oft verwehrt, ihre Forschungsarbeiten im Ausland voranzutreiben oder abzuschliessen, die Kosten sind zu hoch. Die Gebühren, welche direkt für die Ausbildung anfallen, sind hier zwar im internationalen Vergleich tief, die sehr hohen Lebenserhaltungskosten stellen für ausländische Forschende jedoch oft einen unüberwindbaren Stolperstein dar.

Auf ein Wort mit AkademikerInnen des Stipendienprogramms Sciex-NMS.ch

Doch wie sieht eigentlich ein solcher Forschungsaufenthalt von ausländischen DoktorandInnen und Post-DoktorandInnen in der Schweiz konkret aus? Nachfolgend finden sich vier Kurzbeispiele von Forschenden, die vom Programm unterstützt werden:

Edvinas Orentas (30) aus Vilnius, Litauen
Edvinas Orentas (30) aus Vilnius, Litauen © DEZA

Solarzellen – schnell und günstig

Ein solcher Post-Doktorand, der mit Hilfe des Schweizer Erweiterungsbeitrags einen Forschungsaufenthalt in der Schweiz absolviert, ist Edvinas Orentas (30) aus Litauen. Er forscht während eineinhalb Jahren an der Universität Genf. Konkret befasst sich Herr Orentas mit Solarenergie und der Forschungsfrage, wie effiziente Solarzellen schnell, konsumfreundlich und billig hergestellt werden können. Als ehemaliges Mitglied der Litauischen Nationalmannschaft an der internationalen Chemieolympiade fühlt sich der Chemiedoktorand der Universität Vilnius ohnehin heimisch im Labor. „Ich habe eine akademische Karriere immer als meine Zukunft gesehen und arbeite weiterhin hart daran. Ein Studienprogramm wie Sciex-NMS.ch unterstützt nicht nur AkademikerInnen aus ärmeren Ländern, ein hohes Forschungsniveau zu erreichen. Es kann vielmehr als eine Langzeitinvestition zur Verbesserung der Zukunft von Gesellschaften angesehen werden.“ Natürlich sei der Forschungsstand in der Schweiz höher einzustufen als in Litauen, nicht zuletzt dank der besseren Infrastruktur. Die Lehre in Litauen werde jedoch immer besser und das intellektuelle Potential sei hoch. Nach seiner Rückkehr wird sich Herr Orentas wieder an der Universität in Vilnius engagieren, bei welcher er bereits vor seinem Forschungsaufenthalt in der Schweiz tätig war. „Ich werde der Forschung und der Chemie definitiv treu bleiben. Mein Ziel ist es, eine eigene Forschungsgruppe etablieren zu können.“

Plato und die Sophisten

Auch Kosztasz Rosta (30) hat für ein Jahr seinen Wohnsitz von Ungarn in die Schweiz verlegt. Herr Rosta forscht seit März 2011 an der Universität Freiburg an seiner Doktorarbeit zu Plato und den Sophisten. Freiburg gefällt ihm gut, es sei, im Vergleich zu seiner Heimatstadt Budapest, eine kleine Stadt und daher eher ruhig, was im behage. Sein Ziel ist es, nach seiner Rückkehr und abgeschlossener Doktorarbeit an einer ungarischen Universität Philosophie unterrichten zu können. „In Budapest gibt es jedoch nicht viele Lehrstühle für Philosophie. Das Stipendienprogramm kann mir helfen, mein Ziel zu erreichen. Wenn Du in Ungarn eine akademische Karriere machen willst, musst Du für bestimmte Zeit ins Ausland.“ Herr Rosta wohnt mit seiner Freundin, welche auch an der Universität Freiburg studiert, in einer kleinen Wohnung. „Die Wohnungssuche von Ungarn aus war nicht einfach. Doch ich hatte Unterstützung von CRUS und der Universität Freiburg.“ In seiner Freizeit liest Herr Rosta gerne, pokert mit anderen Studenten oder geht gerne wandern.

Von der Wahrung der Biodiversität in Tschechien und der Schweiz

Petr Dostal (37) hat seinen Doktortitel in Biologie bereits erworben und verbrachte im Rahmen seiner Post-Doktorandentätigkeit ein Jahr am Institut für Biologie in Bern. Herr Dostal stammt aus der tschechischen Hauptstadt Prag und ist bereits im Oktober 2011 wieder dorthin zurückgekehrt. Seine Forschungstätigkeit umfasste die Kombination der Schweizerischen und Tschechischen Datenbank von invasiven Pflanzenarten und dient als Grundlagenforschung für beide Nationen. „In der Schweiz breitet sich zum Beispiel im Kanton Tessin die Palme intensiv aus, aber dies muss ja nicht unbedingt schlecht sein“, antwortet er mit einem Schmunzeln auf die Frage, welche nicht-einheimischen Pflanzen denn für die Schweiz eine Bedrohung darstellen könnten. „Im Grunde geht es bei unserer Forschung um die Wahrung der Biodiversität. Wir untersuchen, welche Pflanzen, die vom Ausland in die Schweiz, respektive nach Tschechien gelangen, für die hiesige Natur bedrohlich sein könnten. Solche Untersuchungen dienen schliesslich der Sicherstellung der menschlichen Gesundheit.“ Herr Dostal kann sich auch nach seiner Rückkehr nach Prag durchaus vorstellen, weiterhin in dem Bereich der Forschung tätig zu sein oder gar an der Universität zu lehren. „Wenn die Leute in Tschechien an die Schweiz denken, dann denken sie vor allem an Berge, Schokolade, Uhren und Banken, also die üblichen Stereotypen. Und dass die Natur in der Schweiz sehr schön sein soll, was ich bestätige. Im Sommer schwamm ich zum Beispiel sehr gerne in der Aare hier in Bern.“

Von den polnischen in die Schweizer Berge

Eine weitere Akademikerin, die vom Stipendienprogramm profitiert, ist Katarzyna Michalkiewicz. Die 28-jährige Polin stammt aus der Nähe von Krakau im Süden Polens und war schon immer begeistert von den Bergen. Sciex-NMS.ch ermöglicht ihr, seit November 2010 während zwei Jahren in der Schweiz an ihrer Doktorarbeit zu schreiben. Dabei vergleicht sie den Einfluss der Berge auf die nationale Identität in Polen und der Schweiz. „Die Schweiz geniesst in Polen einen sehr guten Ruf.“ Sie hat sich sehr über ihre Aufnahme ins Programm gefreut, denn „in Polen stehen StudentInnen für solche kulturellen Anliegen nur wenig Geld zur Verfügung“.Wohnhaft ist Frau Michalkiewicz in einer Wohngemeinschaft in Neuenburg, ihr Büro befindet sich am Sprach- und Sozialwissenschaftlichen Institut der dortigen Universität. Der Aufenthalt in Neuenburg ermöglicht ihr auch, ihre Französischkenntnisse anzuwenden und zu verbessern. „Ich habe bereits in Polen französisch gelernt, dort ist es für MittelschülerInnen und StudentInnen üblich, eine Fremdsprache zu erlernen. In der Regel sind dies englisch, deutsch und französisch.“ Besonders gut an Neuenburg gefällt Frau Michalkiewicz der See, wo sie oft zu Mittag isst. Nach ihrer Rückkehr möchte sie gerne an der Universität von Krakau arbeiten. „Im Winter habe ich vor, einmal Ski zu fahren“.

Produktionsfaktor Humankapital: Zusammenarbeit von schweizerischen mit ausländischen Hochschulen

AkademikerInnen
Insgesamt unterstützt das Programm in etwa 460 AkademikerInnen aus den neuen EU-Mitgliedstaaten © DEZA

Das Programm Sciex-NMS.ch gewährt AkademikerInnen aus den neuen Mitgliedstaaten Stipendien, welche es ihnen ermöglicht, während einer Dauer von 6 bis 24 Monaten an einer Schweizer Hochschule zu forschen. Die Gastforschenden treiben in der Schweiz ihre Arbeit voran und knüpfen neue Kontakte. Die Partnerländer und die lokalen Universitäten profitieren schliesslich von einem Zuwachs des wichtigen Produktionsfaktors Humankapital. Zudem werden wichtige Netzwerke in zahlreichen Forschungsgebieten aufgebaut, ausgeweitet und auf längere Zeit gefestigt, ein Vorteil auch für den Forschungsplatz Schweiz. Die maximale Aufenthaltsdauer an einer Schweizer Universität ist dabei auf zwei Jahre angesetzt. Hier wurde bewusst eine Obergrenze eingefügt, um die Forschenden zu einer Rückkehr an ihre Heimuniversität anzuregen. Dieses Stipendienprogramm soll den Wissenstransfer in die betroffenen Länder unterstützen und nicht zum sogenannten „Brain-Drain“, der Abwanderung von Wissen, beitragen.