15'000 neue Arbeitsplätze im postrevolutionären Tunesien

Projekt abgeschlossen
© DEZA
Dank der Hilfe der DEZA entstanden in Tunesien mehrere Hundert Kleinunternehmen wie diese Schreinerei in Kasserine, die Türen und Fenster herstellt. © DEZA ©

Mit dem Projekt I-SEMER (Schweizer Initiative für Beschäftigung und für ländliche Kleinst- und Kleinunternehmen) sollten über einen Zeitraum von vier Jahren in vier benachteiligten Bezirken Tunesiens 10'000 Arbeitsplätze für junge Menschen geschaffen werden. Dieses Ziel wurde übertroffen. Das Projekt, das in Zusammenarbeit mit tunesischen Partnern realisiert wird, stellte die erste konkrete Unterstützung der Schweiz in diesen benachteiligten Gebieten des postrevolutionären Tunesiens dar.

Land/Region Thema Periode Budget
Tunesien
Beschäftigung & Wirtschaftsentwicklung
Schaffung von Arbeitsplätzen
KMU Förderung
01.07.2011 - 31.10.2020
CHF  8’441’000

Grosse regionale Unterschiede, fehlende Zukunftsperspektiven und die hohe Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen gehören zu den Hauptauslösern der Aufstände in Tunesien. Das Projekt I-SEMER trägt diesem Hintergrund direkt Rechnung: Es soll mit Wirtschaftsförderung und der Schaffung von Arbeitsplätzen in den benachteiligten Bezirken im westlichen und südwestlichen Teil des Landes (Kasserine, Le Kef, Sidi Bouzid und Médenine) sowie in der Agglomeration der Hauptstadt Tunis zu einer ausgewogenen regionalen Entwicklung beitragen.

Das Projekt darf bereits jetzt als Erfolg gewertet werden. Es hat durch Massnahmen auf drei Ebenen zur Schaffung von 15'000 Arbeitsplätzen in so unterschiedlichen Wirtschaftssektoren wie Gastgewerbe, Tourismus, IT-Dienstleistungen und Handwerk beigetragen:

  1. die Einrichtung von runden Tischen zur Verbesserung des lokalen Geschäftsklimas
  2. die Förderung der Gründung von Kleinstunternehmen durch junge Frauen und Männer
  3. die Gründung von kleinen und mittleren Unternehmen im ländlichen Raum.

Runde Tische für einen konstruktiven Dialog

Es soll eine tripartite Gesprächsplattform angeboten werden, auf der sich lokale Behörden, Privatwirtschaft und Verbände treffen können. Ziel ist es, zur Belebung der Debatte unter den Wirtschaftsakteuren der Region beizutragen und einen konstruktiven Austausch zu fördern. Dabei sollen die Faktoren identifiziert werden, die die regionale Entwicklung behindern, und Aktivitäten zur Verbesserung des Geschäftsklimas lanciert werden. Die runden Tische dienen damit auch als «Labors» für demokratische Entscheidungsprozesse und Dezentralisierung der Verwaltungsbefugnisse.

Förderung von Kleinstunternehmen durch Betreuung und Mikrokredite

Dieses Teilprojekt richtet sich an arbeitslose junge Frauen und Männer. Sie sollen bei der Gründung eines Kleinstunternehmens gezielt begleitet werden und auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Finanzprodukte erhalten. Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit der erfahrenen Partnerorganisation ENDA durchgeführt, die über ein weit gespanntes Netz von Vertreterinnen und Vertretern sowie über ein grosses Kundenportefeuille in abgelegenen Regionen Tunesiens verfügt. Damit ist eine optimale Ab­deckung des Gebiets sichergestellt.

2016 wurde in einem benachteiligten Viertel von Tunis ein Gründerzentrum für Jungunternehmen (Inkubator) errichtet, das jungen Erwachsenen unter 35 Jahren in allen Phasen der Gründung von Kleinstunternehmen Unterstützung, Beratung und Fortbildung bietet. Ähnliche Angebote sind auch in anderen Landesteilen verfügbar.

Förderung des Unternehmertums und der Gründung von kleinen und mittleren Unternehmen im ländlichen Raum

In den Randregionen werden zur Unterstützung potenzieller Start-ups Unternehmerworkshops angeboten, in denen sich Jungunternehmerinnen und Jungunternehmer mit den verschiedenen Aspekten einer Unternehmensgründung vertraut machen können (z. B. Erstellung eines Businessplans).

Um den Unternehmergeist zu fördern, werden im Rahmen des Projekts I-SEMER in Partnerschaft mit der tunesischen Banque de Financement des Petites et Moyennes Entreprises (BFPME) auch Wettbewerbe durchgeführt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Jugendlichen, Frauen und Hochschulabsolventen. Eine Jury beurteilt die Zahl der geschaffenen Arbeitsplätze und die Innovationskraft der Projekte. Die Preisträgerinnen und Preisträger erhalten eine auf sie abgestimmte Betreuung, um die Chancen ihres Projekts zu erhöhen. Zudem haben sie Anspruch auf Beiträge aus einem der BFPME angegliederten tunesisch-schweizerischen Fonds.

Die Erfahrung zeigt, dass die Kombination von Betreuung und finanzieller Unterstützung einem echten Bedürfnis entspricht. Überzeugt von der Wichtigkeit des Projekts ist auch die tunesische Regierung: Sie hat 2015 beschlossen, dem tunesisch-schweizerischen Fonds bei der BFPME 60 Millionen Dinar (30 Millionen CHF) zu gewähren, um die Hilfe bei der Gründung von kleinen und mittleren Unternehmen fortzuführen und auszuweiten.

Die Geschichte von Mohamed, Reiseveranstalter

Er besitzt einen ausgeprägten Geschäftssinn: Mohamed Nourdine Dammak hat buchstäblich mit nichts angefangen und betreibt heute ein erfolgreiches Unternehmen. «Ich hatte ein Konzept für mein eigenes Reisebüro und brauchte noch Geld für die Produktion von Werbemitteln wie Broschüren, Flyer, Transparente usw.» Es erwies sich jedoch als schwierig, einen Kredit zu erhalten. Nachdem er mehrere Absagen von Banken kassiert hatte, klopfte der junge Mann bei der NGO ENDA an. «Der Portfolio-Manager für Start-ups hat mich gerettet. Er setzte sich unermüdlich für mein Anliegen ein», erzählt Mohamed. Dank eines Kredits von 5000 Dinar (2200 CHF) konnte der Jungunternehmer 2013 in der Stadt Sfax, an der Ostküste Tunesiens, sein Geschäft eröffnen. Innerhalb weniger Monate gewann er das Vertrauen vieler Kunden. Mittlerweile sind drei Jahre vergangen und es arbeiten sechs Personen in seiner Agentur. Soeben hat Mohamed ein zweites Büro in Monastir eröffnet.