Artikel, 16.09.2016

Am 19. September 2016 nimmt die Schweiz am UNO-Gipfel für Flüchtlinge und Migranten teil. Eduard Gnesa, Sonderbotschafter für internationale Migrationszusammenarbeit, spricht über die Herausforderungen, vor denen die internationale Gemeinschaft aufgrund der Flüchtlingssituation steht.

Kinder und Jugendliche verschiedener Nationen gehen in einer Reihe hintereinander her.
Vermehrt treten Kinder und Jugendliche alleine die Flucht aus ihrem Heimatland an – eine Herausforderung für die Schweiz. © Keystone

Eduard Gnesa
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Eduard Gnesa

Sonderbotschafter für internationale Migrationszusammenarbeit 

«Wenn wir jetzt nicht beginnen, die Fluchtursachen global anzupacken, werden weiterhin Millionen von Menschen gezwungen sein, ihre Heimat zu verlassen.»

Vor welchen flüchtlings- und migrationspolitischen Herausforderungen steht die Schweiz auf internationaler Ebene? 

Es genügt, einen Blick in die Zeitungen zu werfen und man sieht, welche Herausforderungen sich uns stellen. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat es nicht mehr so viele Flüchtlinge und intern Vertriebene gegeben wie heute. Menschen also, die aufgrund von bewaffneten Konflikten und anderen Ursachen ihre Heimat verlassen mussten. Viele von ihnen sind Kinder und Jugendliche, die vermehrt alleine die Flucht antreten. Das, was wir in den Medien sehen, ist zudem nur ein Teil der Herausforderung, denn zum Beispiel die zehntausenden von Südsudanesen, die alleine seit Mitte Juli nach Uganda, Äthiopien und Kenia geflohen sind, schaffen es gar nicht erst in unsere Nachrichten. 

Für die Schweiz bedeutet dies eine vielschichtige Herausforderung. In der Schweiz wollen wir über das Asylsystem den nötigen Schutz gewähren. Aber wir wollen auch den Schutz vor Ort sicherstellen, weitere Fluchtsituationen verhindern und wo möglich den Flüchtlingen eine Perspektive im Erstaufnahmeland geben. Hier setzt die Arbeit der DEZA, aber auch anderer Akteure wie des Staatsekretariats für Migration (SEM), der Abteilung für Menschliche Sicherheit (AMS) des EDA sowie das Staatsekretariat für Wirtschaft (SECO) an. 

Wie können die Ergebnisse des UNO-Flüchtlingsgipfels in die Tätigkeit des EDA integriert werden? 

Die aktuellen Fluchtbewegungen sind eine globale Herausforderung. Kein Land kann alleine nachhaltige Massnahmen treffen. Es braucht ein solidarisches System der Zusammenarbeit, auf regionaler und globaler Ebene. Das Gipfeltreffen der UNO hat diese Bestrebung bekräftigt. Aber es liegt noch ein langer Weg vor uns, denn die Fluchtursachen werden nicht von heute auf morgen verschwinden. Davon dürfen wir uns nicht abhalten lassen – wenn wir jetzt nicht beginnen, diese global anzupacken, werden weiterhin Millionen von Menschen gezwungen sein, ihre Heimat zu verlassen und ihr Leben auf oft äusserst gefährlichen Routen zu riskieren. 

Das EDA hat verschiedene Instrumente, um die Beschlüsse des UNO-Gipfeltreffens umzusetzen. Mit der Humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit der DEZA sollen nicht nur der Schutz und die Unterstützung für Flüchtlinge und intern Vertriebene garantiert, sondern auch längerfristige Perspektiven für die direkt betroffenen Bevölkerungen geschaffen werden. Ein Berufsbildungsprojekt in Kakuma, einem Flüchtlingslager in Kenia, soll z. B. den Eintritt in den lokalen Arbeitsmarkt  für Flüchtlinge vereinfachen. Bei der Hilfe für Flüchtlinge muss auch die lokale Bevölkerung miteinbezogen und unterstützt werden, um Spannungen zu verhindern und die soziale Integration zu erlauben. Die von der DEZA finanzierte Sanierung von Schulen in Jordanien und Libanon kommt deshalb auch den lokalen Kindern zugute. 

Gleichzeitig soll die Entwicklungszusammenarbeit der DEZA auch längerfristig und im Verbund mit friedens- und menschenrechtspolitischen Initiativen der AMS die Ursachen der Zwangsvertreibung anpacken. Dies beinhaltet die Unterstützung von Friedensprozessen, zum Beispiel in der Ukraine und in Syrien, aber auch die Arbeit für die bessere Einhaltung des Völkerrechts. 

Am Gipfeltreffen wurde  zudem zu neuen Formen der Zusammenarbeit aufgerufen, unter anderem mit dem Privatsektor. Die Schweiz wird auch dies vermehrt in ihre Arbeit aufnehmen und nach geeigneten Partnerschaften mit dem Privatsektor suchen. Allgemein im Bereich Migration, aber auch in Situationen von Zwangsvertreibungen, können private Unternehmen verschiedentlich unterstützend eingreifen. Sie können Arbeitsplätze schaffen, praktische Lösungen umsetzen wie die „Better Shelter“ Initiative des UNHCR und der IKEA, oder Technologien zur Verfügung stellen, z.B. im Bereich der Informatik oder der Solarenergie. Zudem wird die Schweiz weiterhin einen substanziellen finanziellen Beitrag an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz sowie an UNO-Organisationen leisten und unterstützt auch die Zivilgesellschaft in den Krisenregionen. 

Wie arbeiten die verschiedenen Akteure auf Bundesebene zusammen? 

Die Koordination läuft über die bestehenden Strukturen der interdepartementalen Zusammenarbeit IMZ. Diese wird vom SEM, der AMS und DEZA geleitet und versammelt Akteure aus allen relevanten Departementen. Dies ist äusserst wichtig, um die Kohärenz der Schweizer Migrationsaussenpolitik sicherzustellen und auch um die innenpolitischen Entwicklungen adäquat zu berücksichtigen. Mit der IMZ-Struktur haben wir zudem einen Mechanismus, welcher die strategische Nutzung aller aussenpolitischen Instrumente ermöglicht, um die Ziele der Schweiz im Migrationsbereich möglichst effizient erreichen zu können. 

Ein zentrales Instrument sind hierbei die Migrationspartnerschaften. Sie erlauben uns, gemeinsam mit unseren Partnern konstruktive Lösungen für die verschiedenen Herausforderungen zu finden, aber auch die Chancen der Migration besser zu nutzen. Interdepartemental koordiniert wird auch die Teilnahme der Schweiz an den verschiedenen Fora des internationalen Migrationsdialogs. Die Schweiz hat seit der Lancierung der Berner Initiative vor 15 Jahren zur Förderung des multilateralen Dialogs im Migrationsbereich stets eine aktive Rolle in solchen Prozessen gespielt. Dies soll auch in Zukunft ein Schwerpunkt der Schweizer Migrationsaussenpolitik bleiben, um hierdurch auch die Rolle Genfs als Hauptort des internationalen Migrationsdialogs zu stärken. 

Letzte Aktualisierung 13.01.2023

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