01.08.2014

Neuenburg, 01.08.2014 - 1. Augustansprache von Bundespräsident Didier Burkhalter für Radio und Fernsehen - Es gilt das gesprochene Wort

Rednerin/Redner: Bundespräsident, Didier Burkhalter (2014); Didier Burkhalter

Sehr geehrte Damen und Herren
Liebe Einwohnerinnen und Einwohner unseres Landes

Herz und Talent! Mit Herz und Talent haben Alexia, Aurélien und Léonard zusammen mit den anderen jungen Musikerinnen und Musikern soeben ihre Verbundenheit mit der Schweiz ausgedrückt. In der Musik dieser jungen Menschen klingen ferne Zeiten nach. Hier am Neuenburgersee, wo die Wellen ans Ufer schlagen, finden sich Zeugen längst vergangener Zeiten. Hier finden sich Spuren der Pfahlbauersiedlungen. Schon vor 5000 Jahren waren hier Frauen und Männer darauf bedacht, ihren Familien ein Obdach zu geben und die Zukunft ihrer Kinder zu sichern.

Unsere Schweiz ist zwar jüngeren Datums. Sie kann aber voller Stolz auf eine lange Erfolgsgeschichte zurückblicken. Im Lauf der Zeit, die man hier in dieser Region der Uhrmacherkunst besonders gerne misst, hat die Schweiz es verstanden, sich Zukunftsperspektiven zu schaffen und zu erhalten.

Der Schweiz geht es heute gut. Weltweit gehört sie zu den innovativsten und wettbewerbsfähigsten Ländern. Sie ermöglicht ihren Einwohnerinnen und Einwohnern eine hohe Lebensqualität. Und sie sichert ihnen Arbeitsplätze. Dies ist besonders für Jugendliche wichtig. Ist es doch der beste Weg, sie in die Gesellschaft zu integrieren.

Diesen Erfolg verdankt die Schweiz Werten wie hochstehender Qualitätsarbeit, wofür der Begriff «Swiss made» steht. Sie verdankt ihn auch ihrer wirtschaftlichen Öffnung. Der Bundesrat will diese Öffnung weiter verfolgen. Er will den bilateralen Weg weiterführen und erneuern. Denn der bilaterale Weg erschliesst der Schweiz den Zugang zu ihrem wichtigsten Markt, zum europäischen Binnenmarkt. Mit diesem Zugang können wir bei uns in der Schweiz Arbeitsplätze erhalten.

Die Schweiz ist aber auch ein Integrationsprojekt; sie verbindet und integriert. Sie verfügt über Arbeitsplätze in allen Bereichen und lebt Solidarität. Die Schweiz schafft den Ausgleich zwischen den Regionen, Kulturen, Sprachen und Konfessionen. Ihre direkte Demokratie ist exemplarisch und ihr Föderalismus lässt den Minderheiten den nötigen Raum. Die Schweiz ermöglicht es, jeder und jedem, auf seine eigene Art zu leben. Die Lebensweisen mögen unterschiedlich sein, aber sie sind gleichwertig. Das Geheimnis unseres Landes liegt in der Fähigkeit, Unterschiede als Bereicherung wahrzunehmen, statt sie gegeneinander auszuspielen.

Die Schweiz ist eine Erfolgsgeschichte: mit Blick auf die Demokratie, die Respektierung der Minderheiten oder den Frieden.

An diesem 1. August 2014 erhalten diese Werte eine ganz besondere Bedeutung. Sie lässt sich sozusagen am Himmel dieses Sommers ablesen. Manchmal ist der Himmel klar und blau, manchmal aber auch grau, bedeckt und bedrohlich. Er erinnert uns daran, dass wir nie vor einer Katastrophe natürlichen oder menschlichen Ursprungs gefeit sind.

Vor 100 Jahren brach der erste Weltkrieg aus. Eine menschliche Katastrophe, die auch unseren sozialen und nationalen Zusammenhalt auf eine harte Probe stellte.

100 Jahre später lösen Explosionen im Himmel, Kriege auf der Erde oder Hass und Intoleranz Leid für Kinder und ganze Familien aus. Sie lösen Bestürzung und Trauer aus, die uns alle mitten ins Herz trifft. Diese Dramen – fern und doch so nah – führen uns vor Augen, wie wichtig der Dialog ist. Und wie instabil und gefährlich die Welt noch immer ist. Sogar auf unserem Kontinent. Instabilität in Europa ist auch eine Bedrohung für unser Land, für unsere Nächsten. Wir müssen entsprechend handeln, mit Herz und Talent, wie wir es uns in der Schweiz gewohnt sind.

Die Schweiz engagiert sich und leistet Unterstützung. Dies liegt in ihrem ureigenen Interesse und gehört zu ihren Verantwortlichkeiten. Es entspricht zutiefst unseren Grundwerten, auf die wir uns in unserer Verfassung berufen. Und es entspricht unserem Engagement für den Frieden.

Zu den Stärken der Schweiz gehören unsere Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Neutralität. Aber auch unsere Fähigkeit, den Dialog zu fördern und Brücken zwischen Kulturen zu bauen. Diese Stärken sind ein gefragtes Gut in einer instabilen Welt, in der Entwicklungen unvorhersehbar sind. Nach diesen Stärken wird gesucht wie nach dem Blau hinter den Wolken am Himmel.

Der Beitrag der Schweiz ist der Welt von Nutzen.

So ist es nicht erstaunlich, dass in Genf in diesem Jahr nach Friedenslösungen gesucht wurde – nach Friedenslösungen für die Konflikte in Syrien, der Ukraine und im iranischen Atomstreit. Die Schweiz selber hat in diesem Jahr den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa inne. Sie bemüht sich darum, den Konflikt in der Ukraine zu entschärfen. Sie setzt sich ein für mehr Stabilität auf dem Balkan und im Kaukasus. Unser Land engagiert sich für die Rettung von Kindern. Für Zukunftsperspektiven von Frauen und Männer in Afrika, im Nahen Osten und andernorts in der Welt. Dort ist die Schweiz in der humanitären Hilfe, in Entwicklungsprojekten und in der Friedenspolitik aktiv.

Meine Damen und Herren

Auch wenn der Himmel, den wir mit der Welt teilen, längst nicht immer blau ist – die Schweiz ist eine Erfolgsgeschichte. Sie ist einzigartig. Darauf dürfen wir stolz sein. Stolz können wir auch auf das sein, was wir denjenigen hinterlassen, die nach uns kommen: Alexia, Aurélien, Léonard und allen anderen. Stolz auch, weil wir und unsere Hinterlassenschaft auch der Welt von Nutzen sind.

Lassen Sie uns zusammenarbeiten – mit Herz und Talent. Und sorgen wir dafür, dass es auch morgen noch so sein wird. Dass wir nicht nur imstande sind, die Zeit zu messen, sondern dass wir sie auch für den Fortschritt nutzen können.

Ich wünsche Ihnen eine sehr schöne Nationalfeier!


Weiterführende Informationen

Video 1. August-Ansprache des Bundespräsidenten,Youtube Bundespräsidium 2014


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