DEZA finanziert neue CO2-arme Zementproduktion

Artikel, 12.09.2016

Karen Scrivener, Professorin an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (ETHL), ist die Erfinderin von LC3, einem Zement aus Kalkstein und kalziniertem Ton. Das Herstellungsverfahren für LC3 setzt weniger Kohlendioxid frei als die Produktion von herkömmlichem Zement. Die DEZA unterstützt das LC3-Projekt, an dem sich die Schweiz, Kuba und Indien beteiligen. Ein Gespräch mit Karen Scrivener.

Karen Scrivener zusammen mit Forschungspartnern aus Kuba und Zementherstellern aus Lateinamerika vor Zementblöcken an einem Strand in Kuba.
Karen Scrivener (vierte von rechts in der vordersten Reihe) mit Forschungspartnern aus Kuba und Zementherstellern aus Lateinamerika auf einem LC3-Testgelände in Kuba. © Karen Scrivener

Was ist CO2-armer Zement und wie unterscheidet er sich von herkömmlichem Zement?

Was beim Zement am meisten CO2 erzeugt, ist der Klinker. Der Zementklinker wird in riesigen Öfen hergestellt, bei denen es sich eigentlich um grosse, lange Rohre handelt. Er wird in der Regel zu Pulver vermahlen, aus dem der Zement hergestellt wird. Ein Teil des Klinkers – der CO2-reiche Teil – lässt sich durch andere Materialien ersetzen. Die häufigsten Ersatzstoffe sind Hochofenschlacke, ein Nebenprodukt aus der Eisenherstellung, und Flugasche aus Kohlekraftwerken. Das Problem ist nur, dass die Materialien, die den Klinker ersetzen können, nur in relativ kleinen Mengen verfügbar sind. Dabei geht es hier um riesige Volumen: Rund 4 Milliarden Tonnen Zement werden heute weltweit produziert.

Wir haben im Rahmen unseres Projekts eine Form von Zement entwickelt, bei dem Klinker durch kalzinierten Ton ersetzt wird. Der Ton wird auf 700 bis 800 °C erhitzt – weit weniger als die Temperatur bei der Herstellung von Klinker. Die niedrigeren Temperaturen und die chemische Zusammensetzung haben einen geringeren CO2-Ausstoss zur Folge. 

Ton ist in riesigen Mengen vorhanden. Der hier benötigte Ton enthält das Mineral Kaolinit. Davon gibt es grosse Vorräte, vor allem in Entwicklungsländern der äquatorialen und subtropischen Regionen – beispielsweise in Südostasien und grossen Teilen Afrikas und Lateinamerikas. Der Ton wird im Bergbau oft als Abfallprodukt entsorgt, weil er sich weder für die Keramikherstellung noch als Bleichmittel für die Papierindustrie eignet. Dabei kann dieses Abfallprodukt wiederverwertet und mit Klinker vermischt zur Zementherstellung verwendet werden.

Was ist das Innovative an LC3?

Kalzinierter Ton wird schon seit einiger Zeit verwendet. Die Innovation besteht im zweifachen Ersatz des Klinkers: Er wird etwa zur Hälfte durch kalzinierten Ton und zur Hälfte durch Kalkstein ersetzt. Kalkstein ist sogar noch vorteilhafter, weil er kostengünstig und in grossen Mengen vorhanden ist. Durch die Ersatzstoffe erreichen wir einen äusserst niedrigen Klinkergehalt. Diese Ersatzstoffkombination liegt der Bezeichnung Limestone Calcined Clay Cement oder LC3 zugrunde. Wir haben etwa fünf bis sechs Jahre an diesem zweifachen Klinkerersatz gearbeitet. 

Nun wollen wir die Zementindustrie dazu bewegen, LC3 zu verwenden, da dies einen starken Einfluss auf den CO-2-Ausstoss hätte. Wenn Zement- und Betonhersteller auf der ganzen Welt diese Technologie nutzen würden, liessen sich die CO2-Emissionen um mehr als 400 Millionen Tonnen pro Jahr reduzieren. Das entspricht etwa einem Prozent des gesamten weltweiten CO2-Ausstosses – oder anders ausgedrückt etwa dem Kohlendioxidausstoss eines grossen europäischen Landes, wie etwa Frankreich oder Deutschland.

Warum hat die ETH Lausanne die LC3-Projektleitung übernommen, und wie sieht die Zusammenarbeit mit der DEZA aus?

Diese Arbeit ist aus Forschungsprojekten hervorgegangen, die wir zusammen mit Kuba durchgeführt haben. Dabei handelte es sich um zwei Projekte, die vom Schweizerischen Nationalfonds und von der DEZA finanziert wurden. Da wir bei dieser Forschung bereits mit der DEZA zu tun hatten, sprachen wir mit ihr und stellten ihr unser neues Produkt vor. Sie empfahl uns, eine finanzielle Unterstützung im Rahmen des Globalprogramms Klimawandel zu beantragen.

Können Sie uns erklären, warum der geografische Schwerpunkt auf Indien und Kuba liegt?

Mit Kuba haben wir zusammengearbeitet, weil wir dort die ursprüngliche Idee hatten. Als wir das Projekt ausdehnen wollten, lag Indien auf der Hand, weil Indien nach China der zweitgrösste Zementproduzent der Welt ist. Vor allem aber befindet sich das Land noch ganz am Anfang des Wachstumszyklus. In China hat die Menge des verwendeten Zements in den letzten 10 bis 20 Jahren unglaublich stark zugenommen. China produziert heute rund 60% des weltweiten Zements. Indien, das etwa gleich gross ist wie China, produziert nur ein Sechstel dieser Menge. Es ist davon auszugehen, dass die Zementproduktion Indiens in den nächsten 20 Jahren genauso stark zunehmen wird, wie dies in China der Fall war. Das Land wird sehr viel mehr Zement benötigen. Deshalb kann hier die neue Technologie am meisten bewirken.

In welcher Phase befindet sich die Arbeit des Teams derzeit?

Wir nähern uns dem Ende der ersten Dreijahresphase unseres Programms mit der DEZA. Derzeit bereiten wir die zweite Dreijahresphase vor. 

In der ersten Phase beschäftigten wir uns viel mit der Machbarkeit und versuchten herauszufinden, wie sich das Material verhält und ob es genügend widerstandsfähig ist. Ausserdem machten wir die Technologie in der Zementindustrie bekannt. 

Wir führten viele Versuche durch, beispielsweise an der Nordwestküste Kubas, wo Zementblöcke rauen Wetterbedingungen ausgesetzt wurden. Ausserdem stellten wir in Indien 150 Tonnen LC3 her. Wir verfügen dort über mehrere Demoprojekte, beispielsweise ein Haus, das ganz aus LC3 gebaut wurde. Auch die Blöcke für den neuen Annexbau der Schweizer Botschaft in Indien enthalten den neuen Zement. 

Nun hoffen wir auf finanzielle Unterstützung für die zweite Phase, in der wir den Bekanntheitsgrad unserer Produkte an Hochschulen, in der Industrie und unter Entscheidungsträgern in weiteren Ländern steigern wollen.