Ein Refugium für Kinder, die vor den Gräueltaten von Boko Haram geflohen sind

Artikel, 20.02.2017

In der Tschadseeregion wurden Tausende Zivilisten durch die Angriffe von Boko Haram und Militäroperationen zur Flucht gezwungen. Der Niger ist eines der Länder des Tschadseebeckens mit einer hohen Zahl von Vertriebenen. Darunter sind traumatisierte Kinder. Die Humanitäre Hilfe der DEZA unterstützt ein Projekt der italienischen Nichtregierungsorganisation Cooperazione Internazionale (COOPI), das den jungen Konfliktopfern ein geschütztes Umfeld und psychosoziale Unterstützung bietet.

Ein Mitarbeiter der NGO COOPI spricht zu einer Gruppe von Kindern in einem Flüchtlingslager.
Ein Mitarbeiter der NGO COOPI organisiert Freizeitaktivitäten für konflikttraumatisierte Kinder in einem Flüchtlingslager.

Die durch Boko Haram und Militäroperationen ausgelöste Gewalt hat zu massiven Vertreibungen im ganzen Tschadseebecken geführt, an dem der Niger, Nigeria, Kamerun und der Tschad Anteil haben. Allein im Niger sind 340‘000 Personen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die meisten davon befinden sich in der Region Diffa, im Südosten des Landes, an der Grenze zu Nigeria.

Der Konflikt hat nicht nur körperliche Spuren hinterlassen, sondern auch die psychische Gesundheit der Menschen beeinträchtigt. Viele Überlebende haben bei den Angriffen von Boko Haram Gewalt erfahren und die Ermordung und Verstümmelung von Familienmitgliedern mitansehen müssen. Während des Konflikts und auf der Flucht wurden einige Kinder zu Waisen oder von ihren Eltern getrennt. Gemeinschaften haben das Wenige verloren, das sie durch jahrelange Arbeit erworben hatten. Der andauernde Konflikt hat die Bildungs- und Wirtschaftsaktivitäten einbrechen lassen und den Menschen praktisch jede Hoffnung auf eine bessere Zukunft geraubt.

Die Folge: Viele Menschen, darunter Kinder, leiden an psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angstzuständen und posttraumatischen Belastungsstörungen. Ohne psychosoziale Unterstützung werden Traumata, Wut und Hass unter diesen Gemeinschaften weiter getragen, so dass auch künftig kaum Aussicht auf Frieden und Versöhnung besteht.

Freizeitaktivitäten als Teil der posttraumatischen Therapie

Die Humanitäre Hilfe der DEZA unterstützt ein Projekt der Nichtregierungsorganisation Cooperazione Internazionale (COOPI), das vertriebenen Kindern und Jugendlichen in der Region Diffa ein geschütztes Umfeld und psychosoziale Unterstützung bietet. Die italienische NGO hat in Flüchtlingslagern und Zufluchtsstätten der Binnenvertriebenen 33 Zentren errichtet, wo sich die Kinder treffen und Fussball spielen, zeichnen oder traditionelle Tänze aufführen können. Diese und weitere Freizeitaktivitäten bieten den Kindern die Möglichkeit, ihre Gefühle auszudrücken. Sie sind damit ein wirksames Mittel für die posttraumatische Frühbehandlung. Dort, wo kein Schulbetrieb stattfindet, bieten die Jugendzentren auch Alphabetisierungskurse für Mädchen und Jungen an und vermitteln ihnen damit ein Gefühl von Normalität.

Einbezug der Aufnahmegemeinschaften

Die Kinder- und Jugendzentren werden von gemeindenahen Kinderschutzkomitees geleitet. Die Komitees werden durch die COOPI geschult und nehmen wichtige Aufgaben wahr: Sie organisieren die Freizeitaktivitäten, identifizieren die Kinder, die Hilfe brauchen, und überweisen sie an die richtigen Dienste. Die 2016 eingesetzten Kinderschutzkomitees in der Region Diffa identifizierten 183 Waisenkinder, 25 Kinder, die von ihren Familien getrennt waren, und neun unbegleitete Kinder. Im Zeitraum Dezember 2015 bis September 2016 überwiesen sie zudem 56 Fälle von Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung zwecks psychiatrischer Betreuung an die COOPI.

Ausbildung von medizinischem und pädagogischem Personal

Die Stärkung der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung von traumatisierten Kindern und Erwachsenen im Niger ist ein weiteres Ziel des Projekts. Lokale Ärzte, Psychologen und Psychiater wurden von der COOPI darin geschult, psychiatrische Fälle zu diagnostizieren und eine angemessene medizinische und psychosoziale Versorgung bereitzustellen. 200 Lehrkräfte aus 15 Schulen im Niger konnten an Weiterbildungen zum Thema psychosoziale Unterstützung teilnehmen, die ihnen die tägliche Arbeit mit traumatisierten Kindern im Klassenzimmer erleichtern sollen.