Vom Mekong in die Schweiz: Wissensaustausch zwischen zwei «Wasserschlössern»

Die Schweiz teilt sechs Flüsse und vier Seen mit benachbarten Staaten, mit denen sie seit Jahren über Kooperationsabkommen verbunden ist. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Bereich des nachhaltigen Wassermanagements und der Wasserdiplomatie. Die DEZA teilte dieses technische und politische Know-how mit zwei Delegationen aus Asien, die sich im Rahmen eines Besuchs in der Schweiz über konkrete Projekte in Genf, Martigny und Bern informierten.

Die beiden asiatischen Delegationen posieren vor einem Staudamm in Martigny.

Mitten im Geschehen: In Martigny machten sich die asiatischen Delegationen mit der technischen Funktionsweise des neu errichteten Damms vertraut. © EDA

«Tragen wir Sorge zum Grundwasser», schrieb der Journalist Pierre Barras 1976 in der Zeitung La Liberté. Insbesondere das Beispiel Genfs hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Der Grundwasserspiegel im Genevois, einem wichtigen Fassungsgebiet der Region, war zwischen 1890, als mit der Nutzung begonnen wurde, bis in die 1960er-Jahre stabil. Ab 1961 verschlechterte sich die Lage erheblich. Warum? Zu dieser Zeit begann man dieses Grundwasser auch in der französischen Grenzregion zu nutzen. Dies führe zu «internationalen Problemen mit Frankreich», schrieb der Journalist.

Die Lösung? Internationale Zusammenarbeit und grenzüberschreitendes Wassermanagement. 1978 unterzeichneten der Kanton Genf und das Département Haute-Savoie ein Abkommen über die gemeinsame Bewirtschaftung des Grundwassers in der Region. Das war vor 44 Jahren. Ein ähnliches Abkommen wurde unter anderem auch für die Bewirtschaftung des Rheins in der Region Basel abgeschlossen.

Die Schweiz hat also seit Jahrzehnten wertvolle Erfahrungen im Bereich des grenzüberschreitenden Wassermanagements gesammelt. Dieses Fachwissen stand im Zentrum des Besuchs der beiden Delegationen aus Südostasien, die vom 6. bis 9. September 2022 in der Schweiz weilten.

Transfer wertvoller Schweizer Erfahrungen

Die Schweiz gilt nicht umsonst als Wasserschloss Europas. Sie teilt sechs Flüsse und vier Seen mit ihren Nachbarländern. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Gespräche zum Thema Wasserwirtschaft sind dabei von entscheidender Bedeutung.

Weltweit teilen sich 153 Länder grenzüberschreitende Wassereinzugsgebiete, aber nur für ein Drittel dieser Gebiete gibt es Kooperationsabkommen. Dabei ist eine gerechte Aufteilung der Wasserressourcen unerlässlich.

Die Schweiz engagiert sich unter anderem im Mekong-Becken für dieses Thema. Das Schweizer Kooperationsprogramm 2022–2025 für die Mekong-Region setzt auf die Vermittlung von spezifischem Know-how und von Erfahrungen im Bereich der guten Regierungsführung. Es unterstützt die Anstrengungen nationaler und lokaler Behörden im Hinblick auf eine integrative, widerstandsfähige und nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft. Der Klimawandel und die Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen, darunter auch des Wassers, gehören zu den Schwerpunkten der DEZA in der Region.

Die Schweiz ist wie Laos ein regionaler Motor.
Christian Engler, stellvertretender Chef IZA für die Mekong-Region

Die DEZA unterstützt unter anderem die Mekong River Commission (MRC). Diese ist die einzige auf einem Abkommen basierende zwischenstaatliche Organisation im Mekong-Becken. Der Kommission gehören vier Länder der Region an: Kambodscha, die Demokratische Volksrepublik Laos, Thailand und Vietnam. Sie hat den Auftrag, die gerechte Nutzung der Wasserressourcen des Mekong zu fördern und grenzüberschreitende Probleme anzugehen. Dank ihrer langjährigen Erfahrungen in den Bereichen Wasserdiplomatie und Wassermanagement trägt die Schweiz aktiv zur Umsetzung der neuen Entwicklungsstrategie für das Mekong-Becken (2021–2030) und des Strategieplans (2021–2025) der MRC bei, insbesondere über den gemeinsamen Multi-Geber-Fonds.

Haben die Mekong-Region und die Schweiz die gleichen Herausforderungen zu bewältigen? Ja! Christian Engler, stellvertretender Chef IZA für die Mekong-Region, sagte 2021 anlässlich des ersten Dialogs über Wassersicherheit des Verbandes Südostasiatischer Nationen (ASEAN)–MRC, die Schweiz sei wie Laos ein «regionaler Motor. Die Schweiz und die ASEAN haben ähnliche Probleme zu bewältigen. Regionale Herausforderungen erfordern regionale Lösungen, das heisst Planung, Umsetzung und Massnahmen auf regionaler Ebene.» Nach Ansicht der MRC braucht es insbesondere einen proaktiveren Ansatz bei der regionalen Planung. Dies ist unerlässlich, um den Wasserbedarf langfristig abzudecken sowie Hochwasser und Dürren zu bewältigen, die vor allem wegen des Klimawandels und des Ausbaus der Wasserkraftwerke häufiger auftreten und heftiger ausfallen.

Ein Fischer steht bei Sonnenaufgang mit seinem Netz im Mekong.
Der Mekong ist als Wasserquelle, Stromlieferant und Existenzgrundlage für Fischerfamilien eine wichtige Lebensader Südostasiens. © Tran Van Truong/MRC

Ideen aus Genf, Martigny und Bern

Die Delegationen der MRC und der ASEAN, die vom 6. bis 9. September 2022 in der Schweiz weilten, erhielten einen konkreten Einblick in das technische Know-how der Schweiz und deren politische Erfahrungen. Im Zentrum des Besuchs standen das grenzüberschreitende Wassermanagement und die Katastrophenvorsorge. Ziel der DEZA war es, die Ansätze und Erkenntnisse der Schweiz im Bereich des grenzüberschreitenden Wassermanagements zu vermitteln. Sind diese auch im Mekong-Kontext relevant und nutzbar? Mit dieser Frage befassten sich die beiden Delegationen. Durch den Austausch werden auch die Partnerschaften und Netzwerke mit Schweizer Organisationen und Akteuren gestärkt.

In Genf erhielt die Delegation Einblick in das grenzüberschreitende Wassermanagement in der Region. In Martigny besichtigten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den vor Kurzem fertiggestellten überströmbaren Damm, der zum Schutz vor Hochwasserereignissen der Dranse gebaut wurde. In Bern erhielt die Delegation Einblick in die Projekte zur Verbreiterung des Flussbetts der Aare, die Schutz vor den häufiger auftretenden Hochwasserereignissen und gleichzeitig einen natürlichen Raum für die Bevölkerung sowie für Tier- und Pflanzenarten bieten sollen.

Die Delegationen der MRC und der ASEAN nehmen von ihrem Besuch sicher nicht nur Schweizer Souvenirs, sondern auch konkrete Erkenntnisse sowie spezifisches Know-how im Bereich des friedlichen und nachhaltigen Wassermanagements nach Hause.

Auch eine ASEAN-Delegation in der Schweiz

Neben der MRC-Delegation besuchte auch eine Delegation des Verbandes Südostasiatischer Nationen (Association of Southeast Asian Nations, ASEAN) die Schweiz. Die ASEAN ist die wichtigste zwischenstaatliche Organisation Südostasiens. Sie umfasst zehn Mitglieder und setzt sich vor allem für die regionale Zusammenarbeit, für Frieden und Sicherheit sowie für die wirtschaftliche und soziokulturelle Entwicklung der Region ein. Die Schweiz ist seit 2016 sektorielle Dialogpartnerin der ASEAN. Ziel ist es, die Zusammenarbeit mit den Regierungen Südostasiens zu stärken und die Beziehungen in der Region auszubauen. Der Besuch bot Gelegenheit, einen der Schwerpunktbereiche dieser Zusammenarbeit zu vertiefen: Klimawandel und Katastrophenvorsorge.

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