«Blue Peace beugt Konflikten vor und trägt zu mehr Stabilität bei»
Blue Peace ist eine Initiative der Schweiz, die Wasserdiplomatie mit Entwicklungszusammenarbeit verbindet. Erklärungen von Christian Frutiger, Vizedirektor der DEZA.
Die Schweiz verfügt über grosse Erfahrung im Bereich des grenzüberschreitenden Wassermanagements. Diese Thematik steht im Zentrum der Blue Peace Initiative. © Piotr Krzeslak / Shutterstock
Was bedeutet «Blue Peace»?
In vielen Regionen der Welt wird das Wasser immer knapper. Das Bevölkerungswachstum, die Umweltverschmutzung und der Klimawandel erhöhen vielerorts den Druck auf die verfügbaren Wasservorkommen. Der Wettbewerb um das kostbare Nass kann Konflikte verstärken und ganze Regionen destabilisieren. «Blue Peace» ist eine Initiative der Schweiz, die Wasserdiplomatie mit Entwicklungszusammenarbeit verbindet. Die «Blue Peace»-Initiative bringt Länder an einen Tisch, die ein Gewässer, beispielsweise einen Fluss, einen See oder auch ein Grundwasservorkommen, teilen und gemeinsam nutzen. Sie unterstützt die Anrainerstaaten in der gemeinsamen, friedvollen und nachhaltigen Nutzung des Wassers. Die Schweiz kann dabei auf ihre eigene Erfahrung in der Zusammenarbeit mit ihren Nachbarländern zählen. Beispielsweise mit der internationalen Kommission zum Schutz des Rheins, die zum Ziel hat, die vielfältigen Nutzungs- und Schutzinteressen im Rheingebiet auszugleichen. Sie ist dadurch ein glaubwürdiger Akteur in der gemeinsamen Nutzung von grenzüberschreitenden Wasserressourcen.
Warum hat gerade die Schweiz die «Blue Peace»-Initiative lanciert?
Seit der Jahrtausendwende hat sich die Anzahl der gewaltsamen Konflikte weltweit signifikant erhöht. Viele davon werden in den trockensten Regionen der Welt ausgetragen. Eine Studie des WEF aus dem Jahr 2017 zeigt auf, dass knapp fünfzig dieser gewaltsamen Konflikte nachweislich und in bedeutendem Ausmass durch die Wasserknappheit befeuert wurden. Wasserstress und gewaltsame Konflikte sind Ursachen und Treiber der internationalen Migration. Die Schweiz, die sich seit den Anfängen ihrer Entwicklungszusammenarbeit zum Thema Wasser engagiert, hat früh erkannt, dass die Nutzung von begrenzten Wasservorkommen zu Konflikten führen kann und deshalb umfassend und grenzüberschreitend angegangen werden muss. Viele der Schweizer Wasserprojekte wurden seit den neunziger Jahren danach ausgerichtet. Dabei wurde die Schweiz von den Partnerländern stets als neutraler und ehrlicher Akteur ohne geopolitische Interessen wahrgenommen. Mehr und mehr hat sie sich von einer reinen Unterstützerin zur Vermittlerin gewandelt. Daraus ist vor rund zehn Jahren die Blue Peace-Initiative entstanden.
Wie funktioniert die «Blue Peace» Initiative der DEZA?
Die «Blue Peace»-Initiative bringt wichtige Entscheidungsträger und Vertreterinnen von Anrainerstaaten an einen Tisch, um über die Nutzung der gemeinsamen Gewässer zu diskutieren und zu verhandeln. Das langfristige Ziel sind Vereinbarungen und Abkommen, die die Nutzung der Gewässer über die nationalstaatlichen Grenzen hinaus regeln und nachhaltig sichern. Interessenkonflikte um das Wasser sollen dabei friedlich ausgeglichen werden. Ergänzend dazu unterstützt die Initiative notwendige Vorarbeiten. Ein Gewässer muss zunächst erforscht sein, bevor man überhaupt darüber verhandeln kann. Es braucht zudem genügend Fachkräfte und fähige Institutionen, um die Abkommen und Vereinbarungen auszuarbeiten und umzusetzen. Die «Blue Peace»-Initiative unterstützt die Länder im Aufbau dieser Kapazitäten.
Wo ist die «Blue Peace»-Initiative aktiv?
Zurzeit ist die Initiative in drei Schwerpunktregionen aktiv. Im Nahen Osten unterstützt sie gegenwärtig Arbeiten rund um die Flüsse Jarmuk und Tigris, die durch die Länder Syrien und Jordanien bzw. durch die Türkei, Syrien und den Irak fliessen. In Zentralasien stehen die Flüsse Amu Darja und Syr Darya im Vordergrund. Sie sind Lebensader der Anrainerstaaten Kirgisistan, Tadschikistan, Usbekistan sowie Kasachstans und Turkmenistan. In Westafrika unterstützt die Blue Peace Iniative Senegal, Gambia, Guinea und Guinea-Bissau in der Entwicklung eines Richtplans des Gambia-Flusses.
Wie wirkt die «Blue Peace»-Initiative? Welchen Nutzen bringt sie der betroffenen Bevölkerung?
Zum einen gibt es den kurzfristigen Nutzen, wenn Konflikte unmittelbar entschärft werden, indem zum Beispiel die begrenzte Ressource Wasser verfügbar bleibt und nicht noch weiter abnimmt. Die Wirkung und den grössten Nutzen entfaltet die Initiative jedoch langfristig. Es ist von essentieller Bedeutung, dass die Wasservorkommen friedlich genutzt werden und vor allem auch langfristig erhalten bleiben, damit auch in Zukunft Haushalte, Landwirtschaft, Wirtschaft und selbstverständlich auch die Natur in allen Anrainerstaaten mit genügend Wasser versorgt werden können. Die «Blue Peace»-Initiative beugt damit indirekt Konflikten vor und trägt zu mehr Stabilität und besseren Rahmenbedingungen als Grundlage für langfristigen Wohlstand bei.
Ende März findet in New York eine Konferenz der Vereinten Nationen zu Wasser statt. Wie engagiert sich die Schweiz an der Konferenz, und welche Bedeutung hat die «Blue Peace»-Initiative an der Konferenz?
Eines der fünf Hauptthemen der Konferenz ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Wasserbereich. Bundesrat Ignazio Cassis wird die Hauptdiskussion zu diesem Thema präsidieren. An der Konferenz wird die Schweiz ihre Expertise und ihre Erfahrungen einbringen können. Ziel ist es, allgemeine Empfehlungen für Länder mit geteilten Wasservorkommen auszuarbeiten, damit diese in allen Weltregionen friedlich und nachhaltig genutzt werden können.