Das italienische Asylsystem steht unter grossem Druck. Seit Anfang Jahr sind über 45 000 Personen an Italiens Küsten angekommen, mehr als dreimal so viele wie in der Vorjahresperiode. Auch auf der Balkan-Route nimmt die Migration zu. Vor diesem Hintergrund hat Italien bereits im Dezember 2022 die Rückübernahme von Asylsuchenden ausgesetzt, für die das Land gemäss den Dublin-Regeln zuständig ist. Wegen der weiteren Verschärfung der Lage hat Italien im April 2023 den Notstand ausgerufen.
Einhaltung des geltenden Rechts
Das Treffen zwischen der Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) und dem italienischen Innenminister verlief in konstruktiver und vertrauensvoller Atmosphäre. Baume-Schneider äusserte gegenüber ihrem Amtskollegen Verständnis für die schwierige Situation Italiens. Sie wies aber auch darauf hin, dass die Aussetzung der Dublin-Überstellungen für die europäischen Länder eine heikle politische Herausforderung darstelle. Gemäss den Dublin-Regeln ist Italien für jene Asylsuchenden zuständig, die zuerst in Italien registriert worden sind.
Bundesrätin Baume-Schneider gab bei dem Treffen auch zu bedenken, dass die von Italien einseitig eingeführte Massnahme das Dublin-System und damit die gemeinsame europäische Asylpolitik schwäche. Das geltende Recht müsse eingehalten werden, sagte sie. Laut Innenminister Piantedosi arbeitet Italien derzeit an einer Erhöhung der Unterbringungskapazitäten, damit es in den nächsten Monaten wieder Dublin-Überstellungen annehmen kann, wenn die Situation dies zulässt. Seit Beginn des Überstellungsstopps nach Italien ist die Überstellungsfrist für 81 Asylsuchende abgelaufen, was die Schweiz dazu verpflichtet, diese Fälle in ihrem eigenen Asylverfahren zu übernehmen.
Schweizer Unterstützung beim Migrationsmanagement
Um Italien bei der Bewältigung seiner Herausforderungen zu unterstützen, stellt die Schweiz aus dem Rahmenkredit Migration des Zweiten Schweizer Beitrags zu Gunsten bestimmter Mitgliedstaaten der EU bis zu 20 Millionen Franken zur Verfügung. Mit dem Betrag soll Italien bei der Unterbringung und Betreuung von Asylsuchenden, insbesondere von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden, unterstützt werden. Die beiden Nachbarländer wollen in diesem Rahmen den Austausch zu Migrationsthemen intensivieren.
Bundesrätin Baume-Schneider und Innenminister Piantedosi haben sich auf eine baldige Unterzeichnung des bilateralen Kooperationsabkommens geeinigt, das für die Umsetzung dieses Beitrags erforderlich ist. Italien ist neben Griechenland und Zypern eines von bisher drei Ländern, mit denen die Schweiz eine Kooperation im Zusammenhang mit dem Rahmenkredit Migration über insgesamt 190 Millionen Franken vereinbart hat.
In Absprache mit Italien und im Rahmen einer europäischen Einrichtung ist bereits die Unterstützung eines kurzfristigen Projekts in Italien gesichert: Kulturelle Mediatorinnen und Mediatoren der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sollen die Kommunikation zwischen der Polizei und den anlandenden Migrantinnen und Migranten vereinfachen. Dieser Beitrag von 500 000 Franken trägt so auch zu einer Beschleunigung der Verfahren bei.
Baume-Schneider betont Bedeutung der europäischen Solidarität
Die EJPD-Vorsteherin und ihr italienischer Amtskollege diskutierten auch über die laufende Reform des europäischen Asyl- und Migrationssystems. Um besonders belastete Staaten wie Italien zu entlasten, ist ein Solidaritätsmechanismus vorgesehen. Die Schweiz unterstütze die Prinzipien der Solidarität und der geteilten Verantwortung, sagte die Bundesrätin. Daher werde sie weiterhin aktiv an den Reformen mitarbeiten.
Zu den vorgeschlagenen Massnahmen gehörten auch das sogenannte Screening sowie schnelle Asylverfahren an der Aussengrenze. Baume-Schneider betonte, dass die Menschenrechte der Migrantinnen und Migranten dabei auf jeden Fall gewährleistet werden müssten. Nur so könnten die Rechte jener Personen geschützt werden, die Anspruch auf Asyl in einem europäischen Land gelten machen könnten.
Weiteres Thema des Gesprächs war die polizeiliche Zusammenarbeit. Diese ist insbesondere bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität von Bedeutung. Die beiden Minister hoben die Qualität der polizeilichen Zusammenarbeit hervor und brachten ihren Willen zum Ausdruck, diese weiter auszubauen. Die operativen Kräfte sollen über optimale Bedingungen für eine weiterhin enge, grenzüberschreitende Zusammenarbeit verfügen. Die zuständigen Behörden stehen bereits in Kontakt, um bestmögliche Lösungen zu eruieren.
Adresse für Rückfragen:
Kommunikationsdienst EJPD, info@gs-ejpd.admin.ch T +41 58 462 18 18