Ioannis Antonios Kapodistrias oder Graf Capo d’Istria, war ein grosser Staatsmann, der eine wichtige Rolle bei der institutionellen Neuorganisation der Schweiz und der Bestätigung ihrer ständigen Neutralität spielte.
Der 1776 auf Korfu geborene Diplomat war Sondergesandter von Zar Alexander I. am Wiener Kongress und an der Pariser Friedenskonferenz, ein wichtiger Protagonist des griechischen Unabhängigkeitskampfs gegen die Osmanen und der erste Präsident des befreiten Griechenlands. Er verhalf der Schweiz zu ihrer föderalistischen Struktur und zur Anerkennung ihrer Neutralität. Ohne dieses Verhandlungsgenie und seine Verbundenheit mit der Eidgenossenschaft würde die Schweiz heute zweifellos anders aussehen.
Erste Mission in der Schweiz: Beitrag zur Errichtung eines lebensfähigen und relativ unabhängigen Staats
Die Schweiz war damals tief gespalten und befand sich am Rande eines Bürgerkriegs. Mit seiner bewundernswerten Dialogfähigkeit, seiner Überzeugungskraft und seinem hartnäckigen Engagement brachte Kapodistrias die Kantone in diesen zehn Monaten dazu, gemeinsam die Grundlagen zur Errichtung der Schweiz zu legen. Er schrieb Verfassungsentwürfe, Resolutionen, Entscheide und Briefe. Dank seinem unermüdlichen Einsatz hatte er «unbestreitbar […] den grössten Einfluss» unter den Gesandten der Alliierten. Seine erste Schweizer Mission war erfolgreich: Alle Kantone arbeiteten eine neue Verfassung aus, die Tagsatzung (Versammlung der Abgesandten der Kantone) genehmigte die Bundesverfassung, der Bürgerfrieden wurde wiederhergestellt, und die Schweiz wurde von den Alliierten anerkannt.
Vertreter der Schweizer Interessen am Wiener Kongress und beim Zweiten Pariser Frieden
Am Wiener Kongress (September 1814 – Juni 1815), an dem die diplomatischen Vertreter der siegreichen Grossmächte der Napoleonischen Kriege zusammenkamen, lernte Kapodistrias den Genfer Staatsmann Charles Pictet de Rochemont kennen, der im Auftrag der Republik Genf in Wien weilte, und freundete sich mit ihm an. Zusammen mit dem Genfer Abgeordneten François d’Ivernois setzten sich die beiden Männer für den Anschluss Genfs an die Eidgenossenschaft, die «Abrundung» des Genfer Territoriums und damit für die Gewährleistung einer sicheren militärischen Grenze des Kantons und der Schweiz ein. Mit dem Beitritt Genfs zur Eidgenossenschaft 1815 erhielt die Schweiz ihre endgültigen Grenzen, die bis heute unverändert geblieben sind. Auch die Waadt ist Kapodistrias zu Dank verpflichtet: Er setzte sich erfolgreich dafür ein, dass das ehemalige Untertanengebiet zu einem souveränen Kanton wurde.
An der zweiten Pariser Friedenskonferenz (1815) nach der endgültigen Abdankung Napoleons setzte das Duo Kapodistrias/Pictet die Anerkennung der immerwährenden Neutralität der Schweiz durch, ein langjähriger Wunsch der Eidgenossen und ein wichtiges Anliegen der Grossmächte, insbesondere Russlands. Pictet verfasste den Text der berühmten Erklärung auf Ersuchen Kapodistrias’, der sie unverändert an die hohen Vertreter der Alliierten weiterleitete. Sowohl in Wien als auch in Paris war Kapodistrias der zuverlässigste, unermüdlichste und erfolgreichste Vertreter der Schweizer Interessen. Gleichzeitig war er Ratgeber und «Kompass» des angesehensten Vertreters der Republik Genf, Charles Pictet de Rochement.