Debatte: Wie hat die Schweiz den Erfolg erzielt? Ideen für Polen

Lokale News, 28.11.2016

Schweizer Botschafter in Polen Andrej Motyl hat gemeinsam mit den Partnern von der Polnisch-Schweizerischen Handelskammer und dem Forum für Bürgerliche Entwicklung (FOR) eine Debatte über den Erfolg des Wirtschaftsmodells der Schweiz und die daraus kommenden Ideen für Polen in der Bibliothek der Warschauer Universität am 28. November 2016 organisiert. Die Veranstaltung wurde sehr gut besucht. Rund 200 Personen, darunter sehr viele Professoren, Unternehmer und Beamte, haben daran teilgenommen.

Der Event wurde von Schweizer Botschafter in Polen Andrej Motyl eröffnet. Die polnische Regierung wurde von Vizeministerin Jadwiga Emilewicz, die für das Innovationsdossier in dem von Vizepremier Morawiecki geleiteten Entwicklungsministerium zuständig ist, in diesem Event vertreten. An der Debatte hat sich auch Ulrich Schwendimann, Geschäftsführer der Polnisch-Schweizerischen beteiligt. Seitens des Forums für Bürgerliche Entwicklung (FOR) hat Dr. Andrzej Rzonca, der gleichzeitig als Präsident der Gesellschaft der Polnischen Ökonomen fungiert, an der Debatte teilgenommen. Als Schweizer Ehrengast hat Stefan Barmettler, Chefredaktor der „Handelszeitung“, seinen Beitrag zur Diskussion geleistet. Unter den Rednern war auch Wojciech Kostrzewa, Vizepräsident des Polnischen Geschäftsrats und Geschäftsführer der ITI-Mediengruppe. Die Debatte wurde von Boguslaw Chrabota, Chefredaktor der führenden Tageszeitung Polens „Rzeczpospolita“, moderiert.

Zum Auftakt der Debatte wurde die folgende Frage von dem Moderator gestellt: Welche von den Lösungen, die die Schweiz zu einem globalen Vorreiter in so vielen Wirtschaftsbereichen gemacht haben, könnten auch in Polen erfolgreich eingesetzt werden? Im Laufe der Debatte hat sich eine belebte Polemik zwischen Vizeministerin Emilewicz und Dr. Rzonca entwickelt.

Vizeministerin Emilewicz hat erklärt, die Wirtschaftsstrategie, die zur Entwicklung Polens in den letzten 27 Jahren beigetragen habe, habe sich schon erschöpft. Jetzt wolle die polnische Regierung auf die stärksten Zweige der polnischen Wirtschaft setzen. In Bezug auf die Hauptfrage der Debatte hat Unterstaatssekretärin gesagt, die meisten Faktoren, die die Schweiz zu einem reichen Land gemacht hätten, seien einmalig, endemisch und charakteristisch nur für dieses Land. Wegen der geographischen Lage und der schwierigen Geschichte hätte Polen sie nicht kopieren können. Für aussergewöhnlich hält sie auch die Zusammenarbeit zwischen den Schweizer Städten und die kulturelle Diversität dieses Landes. Voller Bewunderung ist sie für die Innovations-, Technologie- und Entwicklungsstrategie der Schweiz.

Dr. Andrzej Rzonca hat hingegen festgestellt, Polen sei bereits den Schweizer Weg gegangen. So habe Polen den grössten Wirtschaftserfolg unter den ehemaligen Ostblockländern erzielt. Im Vergleich mit den hoch entwickelten Ländern habe Polen Verluste hinsichtlich des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf schnell nachgeholt. Die polnische Demokratie habe ähnliche Sicherungsmechanismen wie die Schweiz in den letzten 27 Jahren ausgearbeitet. Dr. Rzonca hat ausserdem betont, die Schweiz habe die Ideen von Adam Smith am besten umgesetzt. Frieden, leichte Steuer, nicht allzu repressives Recht gehören seiner Ansicht nach zu den wichtigsten Elementen des Schweizer Rezepts zum Reichwerden.

Für einen grossen Vorteil der Schweiz hält Stefan Barmettler die Dezentralisation des Landes. Er hat betont, die Schweizer Kantone unterscheiden sich nicht nur sprachlich und kulturell, aber sie wetteifern auch miteinander in Steuererleichterungen. Laut dem Chefredaktor der „Handelszeitung“ nach liegt dem Schweizer Erfolg auch eine geschickte Migrationspolitik zugrunde. Jeder vierte Bürger sei ausserhalb der Schweiz geboren. In keinem anderen Land der Welt sei dieser Prozentsatz unter den Personen im Erwerbsalter höher als in der Schweiz.

Die Rolle der direkten Demokratie in der Schweiz wurde von Ulrich Schwendimann angesprochen. Er glaubt, die Übergabe der entscheidenden Stimme an die Bevölkerung müsse kein Risiko populistischer Ergebnisse mit sich bringen. Seiner Ansicht nach müssen aber sachliche Diskussionen zuvor stattfinden und Bürger müssen richtig über die Sache aufgeklärt werden. Als Vertreter der Schweizer Unternehmer in Polen hat er auf die Rolle der stabilen Wirtschaftspolitik des Staates hingedeutet. Er hat hervorgehoben, laut Umfragen, die die von ihm geleitete Handelskammer unter potenziellen Investoren aus der Schweiz macht, gehören sehr hohe Qualifikationen polnischer Arbeitnehmer zu den grössten Anziehungsfaktoren des Investitionsstandorts Polen.

Die Stabilität und die Zuverlässigkeit der Schweizer Politik wurden auch von Wojciech Kostrzewa, der auch Mitglied des Schweizer Verwaltungsrats von Stadlerrail ist, gelobt. Seiner Ansicht nach sei die Entwicklung eines Landes ohne gutes Investitionsklima nicht möglich. Für die Geschäftswelt sei es enorm wichtig, an Konsultationen zu neuen Gesetzen teilnehmen zu dürfen.

Im Anschluss zur Debatte wurden zwei Bücher über die Schweizer Erfolgsgeschichte, die letztens in die polnische Sprache übersetzt wurden, beworben und verkauft: „Swiss Made: The Untold Story Behind Switzerland's Success“ von James Breiding und „Die Besserkönner. Was die Schweiz so besonders macht“ von Wolgang Koydl.