Die Schweiz gehört zu den weltweit führenden Finanzplätzen. Unser Finanzstandort leistet einen wesentlichen Beitrag zur Schweizer Wirtschaftsleistung und ist stark mit dem Ausland verflochten. Der Zugang zum EU-Finanzbinnenmarkt ist in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung für Schweizer Finanzdienstleister.
Die Finanzkrise hat – neben anderen Auswirkungen – eine Reihe diverser Regulierungsprojekte zur Verstärkung der Finanzmärkte, zur Verbesserung der Transparenz und zur Verstärkung der Harmonisierung des EU Binnenmarkts ausgelöst.
Dazu gehörte auch, dass in gewissen Bereichen ein Marktzugangsregime für Drittstaaten wie die Schweiz geschaffen wurde, welches die bisher fragmentierten nationalen Regeln für den Marktzutritt zur EU vereinheitlicht. Solche Drittstaatenvorschriften bzw. Marktzugangsregime sind für die Schweiz von Bedeutung, da im Finanzmarktbereich kein bilaterales Abkommen zwischen der EU und der Schweiz abgeschlossen wurde, das einen Marktzugang im Finanzdienstleistungsbereich anderweitig regeln würde. Einzig im Versicherungsbereich besteht seit 1989 ein Abkommen zwischen der EU und der Schweiz. Es ermöglicht Versicherungsunternehmen im Nichtlebensgeschäft, in einem Land der jeweils anderen Vertragspartei Zweigniederlassungen zu gründen und zu betreiben.
Die Drittstaatenvorschriften der EU sehen vor, dass – je nach Bereich – unterschiedliche Voraussetzungen für den Marktzugang festgelegt werden. Insbesondere beinhalten diese Marktzugangsanforderungen oftmals folgende Elemente:
- Äquivalenz zwischen den schweizerischen und europäischen Reglementierungen des Finanzmarkts;
- Äquivalenz bezüglich der Aufsichtspraxis (Umsetzung des Aufsichtsrecht);
- Ein Kooperationsabkommen zwischen den betroffenen Aufsichtsbehörden (der Mitgliedstaaten und der EU) und der Aufsichtsbehörde des Drittlandes.
Zu diesen Prinzipien fügen sich meist noch weitere generelle Bedingungen in der Bekämpfung der Geldwäscherei oder in der Steuerkooperation hinzu. Zum Teil enthalten die Marktzugangsbestimmungen auch Anforderungen, die sich direkt an die Schweizer Unternehmen richten, wie zum Beispiel das Erfordernis zur Errichtung einer Zweigniederlassung in der EU.
Eine Herausforderung betreffend Äquivalenzverfahren besteht in der Praxis der EU-Kommission, Äquivalenzverfahren zunehmend zu politisieren. Die Börsenäquivalenz wurde der Schweiz vor dem Hintergrund der Verhandlungen zum Rahmenabkommen nur befristet zugesprochen. Die EU liess diese Ende Juni 2019 unter Hinweis auf mangelnde Fortschritte in den Verhandlungen auslaufen. Der Bundesrat hat in diesem Zusammenhang eine Massnahme zum Schutz der Schweizer Börseninfrastruktur verabschiedet, die am 1. Juli 2019 in Kraft trat und am 1. Januar 2024 ins ordentliche Recht überführt wurde. Die Massnahme bleibt jedoch auch nach Überführung ausserordentlich und gilt vorerst für fünf Jahre. Zudem kann der Bundesrat die Massnahme gegenüber der EU vor Ablauf dieser Frist deaktivieren.
Die Schweiz selbst hat nach der Finanzkrise ebenfalls regulatorische Massnahmen ergriffen. Wichtige rechtliche Anpassungen sind die Übernahme von Basel III, die Anpassung des Kollektivanlagegesetzes oder die Too Big To Fail-Regulierung und die Regulierung von Finanzmarktinfrastrukturen (Handelsplätze, Zentrale Gegenparteien, Zentralverwahrer) und dem Derivatehandel. Weitere Teile der neuen regulatorischen Finanzmarktarchitektur - das Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und das Finanzinstitutsgesetz (FINIG) - sind am 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Das FIDLEG enthält Verhaltensregeln, die Finanzdienstleister gegenüber ihren Kunden einhalten müssen. Das FINIG vereinheitlicht im Wesentlichen die Bewilligungsregeln für bestimmte Finanzinstitute.
Innovation und Nachhaltigkeit sind wichtige Faktoren für einen wettbewerbsfähigen Schweizer Finanzplatz. Der Bundesrat will die Chancen des Technologiefortschritts und der Digitalisierung sowie die Entwicklungen im Bereich Sustainable Finance für die Schweiz nutzen und bestmögliche Rahmenbedingungen schaffen, damit sich die Schweiz als ein führender, innovativer und nachhaltiger Standort für Fintech- und Blockchain-Unternehmen etablieren und weiterentwickeln kann. In einem ersten Schritt wurden einzelne regulatorische Anpassungen im Zusammenhang mit dem Technologiefortschritt bereits vorgenommen; so verfügte die Schweiz als einer der ersten Staaten der Welt über gesetzliche Regelungen für die Blockchain-Technologie und deren Einsatz im Finanzbereich. Durch einen optimalen Regulierungsrahmen, der u.a. die Stärkung der Transparenz zu Umweltrisiken und -wirkungen und die Vermeidung von Greenwashing vorsieht, soll der Schweizer Finanzplatz zudem seine Position als einer der weltweit führenden Standorte für nachhaltige Finanzen weiter ausbauen. Auch auf Seite der EU bearbeitet man die Themen Digital Finance und Sustainable Finance aktiv.