Die Textpädagogik legt den Schwerpunkt auf die Sprachbeherrschung der minderjährigen oder volljährigen Schülerinnen und Schüler. Diese verfassen zuerst einmal nur mündliche und schriftliche Texte. Die Lehrpersonen regen die Schülerinnen und Schüler dazu an, zu erklären, zu beschreiben, zu argumentieren, Stellung zu nehmen oder ihre Gefühle auszudrücken..Syntax und Orthographie werden erst in einer zweiten Phase zum Thema.
Die Textpädagogik entstand aus einer kritischen Analyse der klassischen Alphabetisierungs-kampagnen, die in den Sechzigerjahren in Entwicklungsländern durchgeführt wurden. Sie will die Unabhängigkeit und das kritische Denken der Lernenden fördern. Dieser Ansatz, der neben der Sprache auch andere Fächer umfasst (Mathematik, Sozialkunde, Geographie, Biologie usw.), geht stets vom Erfahrungswissen der Lernenden aus (was sie bereits wissen). Das erworbene Wissen wird systematisch angewendet und eine ausgewogene Zweisprachigkeit beachtet: Die afrikanischen Sprachen und das Französische werden während des ganzen Lernprozesses als gleichwertig behandelt.
Masterstudiengang in Ouagadougou seit 2003
Trotz grosser Fortschritte hat das Bildungswesen in Afrika südlich der Sahara immer noch mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen: Die Abbruchquoten sind hoch, die Lehrpläne mangelhaft und die Schulquote ist zu tief.Die DEZA hat sich deshalb entschieden, Lehrpersonen weiter zu bilden (train the trainer) und damit das Bildungswesen nachhaltig zu verbessern.
Im Jahr 2003 beschloss die DEZA, die Universität Ouagadougou bei der Einführung eines Masterstudiengangs in Textpädagogik zu unterstützen. Er wurde mithilfe der NGO „Enfants du Monde“ realisiert und ist jetzt Teil des Fachbereichs Entwicklung und Erwachsenenbildung (Développement et Education des Adultes, DEDA) an der Universität. Zwei Jahrgänge haben schon den Abschluss gemacht: 60 Lehrpersonen aus der Region - darunter 19 Frauen - haben ein Masterdiplom erworben und wenden das Gelernte an. Mit diesem Projekt beschränkt sich die DEZA nicht darauf, die Textpädagogik in informellen Schulen und Alphabetisierungszentren zu fördern, sondern sie nimmt auch Einfluss auf die ganze Bildungskette (Weiterbildung des Ausbildungspersonals, train trainer. Zudem strahlt das Programm auf die ganze Region aus: Die Diplomierten kommen aus Benin, Burkina Faso, Niger und Mali.
Ein Budget erstellen, Notizen machen und ein Maisfeld retten
Neuste Studien in Burkina Faso, Niger, Benin sowie Kolumbien und Guatemala haben die Wirksamkeit der Textpädagogik gemessen. Die Textpädagogik hat viele positive Auswirkungen: Sie steigert die Lerngeschwindigkeit und unterstützt den Wissenserhalt, bringt mehr Lernende in Alphabetisierungszentren und Schulen, fördert das kritische Denken und die Initiative, trägt zur Hygiene und Krankheitsprävention bei, erhöht den Mädchenanteil in Schulen usw.
Davon zeugen die Aussagen eines Imams in Daganzi (Gemeinde von Kalalé, Nordosten von Benin) vom Januar 2011 gegenüber dem Cercle de Réflexion et d’Action pour le Développement de l’Education Non Formelle: „Heute kann ich die Angaben zur Dosierung von Produkten zur Konservierung von Mais nach der Ernte richtig lesen. Ich schreibe meine Ausgaben und Käufe auf. Und bei den Treffen der Elternvereinigung mache ich mir Notizen in [meiner Muttersprache] Boo.“
Dank der Textpädagogikkurse kann dieser Mann aus Gbassi (Nordosten von Benin) auch seine Ernteerträge steigern: „Man hat uns im Alphabetisierungskurs auch Techniken für Bodenbewirtschaftung und Bodenschutz beigebracht. Ich habe sie bei einem meiner Felder angewandt. Es liegt am Hang in der Nähe des Flusses, und ich hatte es aufgegeben, weil der Regen alles mitriss. Ich habe nun das Feld quer zum Hang gepflügt und sehr gute Ernten eingefahren!“.
Ziel: Ständige Weiterbildung
Um die Weitergabe und nachhaltige Verankerung der Textpädagogik sicherzustellen, bemüht sich die DEZA, die Abhängigkeit der lokalen Akteure von ausländischem Wissen zu verringern. Dabei werden drei Zielsetzungen verfolgt: stärkerer Einbezug von einheimischen Professoren und grössere Unabhängigkeit der Universität Ouagadougou; Erarbeitung einer Weiterbildungsstrategie; Lancierung eines politischen Dialogs, um die Ergebnisse der Textpädagogik zu verbreiten und deren Aufnahme in die Bildungspolitik für den formellen Bereich (Schulen) zu fördern. Daneben sollte bis 2014 die Möglichkeit eines Doktorats im Bereich Textpädagogik eingeführt werden.