Vergessene Not: Hungerkrise im Jemen gibt Anlass zu grosser Sorge

Am 1. März 2021 organisiert die UNO eine virtuelle Geberkonferenz zur humanitären Krise im Jemen. Den gemeinsamen Vorsitz übernehmen Schweden und die Schweiz, die zum ersten Mal durch Ignazio Cassis als Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten und Vizepräsident vertreten ist. Die Schweiz wird 14 Millionen Franken für Massnahmen der humanitären Hilfe bereitstellen.

Bundesrat Ignazio Cassis hält eine Rede vor laufender Kamera während einer virtuellen Konferenz. Hinter ihm die Schweizer Flagge.

Ignazio Cassis verleiht seiner Hoffnung Ausdruck, dass sich die Lebensbedingungen der jemenitischen Bevölkerung verbessern. © EDA

Seit dem Ausbruch des bewaffneten Konflikts im Jahr 2015 ist die Situation im Jemen die grösste humanitäre Krise der Welt. 20 Millionen Menschen, das heisst 67 Prozent der jemenitischen Bevölkerung, sind unmittelbar auf humanitäre Hilfe angewiesen. Der Jemen leidet ausserdem unter einer massiven Migrationskrise: Das Land zählt 300’000 Flüchtlinge und rund 4 Millionen Binnenvertriebene mit katastrophalen Auswirkungen auf die Gesundheits- und Ernährungssituation sowie auf die Schulbildung. Der wirtschaftliche Niedergang und der Zerfall der Institutionen – der Staat hat die Kontrolle über sein Hoheitsgebiet völlig verloren – haben zu einer Schwächung der Nothilfe und einer Verknappung zahlreicher lebensnotwendiger Güter geführt. Weil bei den Kämpfen auch medizinische Einrichtungen angegriffen werden, ist die Gesundheitsversorgung praktisch lahmgelegt. Zahlreiche Kinder können nicht mehr zur Schule gehen, und in mehr als einem Drittel aller Distrikte des Landes droht eine Hungersnot. Die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Krise und anderen Epidemien verschlimmern die Lage zusätzlich.

An der virtuellen UNO-Geberkonferenz zur humanitären Krise im Jemen vom 1.3.2021 bekräftigt Ignazio Cassis in seiner Funktion als Vizepräsident der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der UNO-Konferenz die Unterstützung der Schweiz zugunsten der jemenitischen Bevölkerung.

Rede des Departementsvorstehers an der Geberkonferenz

An der virtuellen Geberkonferenz, die von der schwedischen und der schweizerischen Regierung gemeinsam geleitet und in Zusammenarbeit mit dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der UNO (UNOCHA) durchgeführt wird, sammelt die teilweise vertretene internationale Gemeinschaft finanzielle Mittel für humanitäre Hilfsmassnahmen zugunsten der von der Krise betroffenen Menschen.

Wir müssen Ansätze für eine dauerhafte Lösung entwickeln, um den Menschen im Jemen eine Zukunftsperspektive zu geben. Dafür braucht es eine enge Verknüpfung der Massnahmen in den Bereichen humanitäre Hilfe, Entwicklung, Menschenrechte und Frieden.
Ignazio Cassis

Das Engagement der Schweiz ist langfristig angelegt. In diesem Jahr werden 14 Millionen Franken für die humanitäre Hilfe im Jemen bereitgestellt. Während der letzten fünf Jahre belief sich der Beitrag der Schweiz insgesamt auf 71 Millionen Franken. Bei seiner erstmaligen Teilnahme als Vizepräsident des Bundesrates verleiht Ignazio Cassis seiner Hoffnung Ausdruck, dass sich die Lebensbedingungen der jemenitischen Bevölkerung verbessern. «Wir müssen Ansätze für eine dauerhafte Lösung entwickeln, um den Menschen im Jemen eine Zukunftsperspektive zu geben. Dafür braucht es eine enge Verknüpfung der Massnahmen in den Bereichen humanitäre Hilfe, Entwicklung, Menschenrechte und Frieden», sagt er.

Mit der Geberkonferenz soll die Öffentlichkeit auf die Verschlechterung der Lage der Menschen im Jemen und insbesondere auf die Gefahr einer Hungersnot riesigen Ausmasses aufmerksam gemacht werden. In diesem Zusammenhang fand vor der Konferenz ein Side-Event statt mit dem Titel «The Silent Emergency: What can we do to improve Maternal and Child Nutrition in Yemen» (Vergessene Not: Wie können wir die Ernährung von Müttern und Kindern im Jemen verbessern?), an dem DEZA-Direktorin Patrizia Danzi teilnahm.

Wie trägt die Schweiz zur Eindämmung der Krise bei?

Die Krise ist von Menschen verursacht, was einerseits traurig ist, andererseits aber eine Lösung nicht ausschliesst. In der Region des Mittleren Ostens und Nordafrikas (MENA) sind neben dem Jemen auch andere Länder von schweren bewaffneten Konflikten betroffen, was zu einem starken Wiederanstieg der Armut und sozialer Ungleichheiten sowie einem partiellen oder totalen Zerfall der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit führt. Vor diesem Hintergrund wurde die gesamte Region in der Aussenpolitischen Strategie der Schweiz 2020–2023 als Schwerpunktregion definiert.

Die Schweiz geniesst in der MENA-Region einen ausgezeichneten Ruf. Als neutrales Land und Expertin der guten Dienste übernimmt sie zurzeit eine führende Vermittlerrolle bei internationalen Streitigkeiten und trägt dazu bei, dass der Dialog zwischen den Konfliktparteien aufrechterhalten bleibt. Im Jemen unterstützt die Schweiz den von der UNO geführten Friedensprozess und beteiligt sich aktiv an der Erarbeitung einer politischen Lösung.

In ihrer MENA-Strategie 2021–2024 legt die Schweiz den Fokus im Jemen auf zwei prioritäre Themenbereiche. Sie will einerseits Frieden und Sicherheit wiederherstellen sowie die Einhaltung der Menschenrechte gewährleisten und andererseits eine tragfähige Lösung zur Eindämmung der Migrationskrise ermöglichen. Die Schweiz führt ihr humanitäres Engagement in den Bereichen Wasser, sanitäre Anlagen, Hygiene und Ernährungssicherheit fort. Sie setzt sich ausserdem für die Einhaltung des humanitären Völkerrechts und den Schutz der Zivilbevölkerung ein.

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