27.08.2019

San Gallo, 27.08.2019 – Discorso del Consigliere federale Ignazio Cassis al World Demographic & Ageing Forum in occasione della cerimonia di premiazione a Carla del Ponte – Fa stato la versione orale

Oratore: Capo del Dipartimento, Ignazio Cassis

Gentile Dottoressa Carla del Ponte,
Herr Präsident der Helvetia Gruppe, Philipp Gmür
Herr Präsident der WDA Forum, Dr. Hans Groth
Herren Bundesräte Adolf Ogi und Hans-Rudolf Merz
Sehr geehrte Professoren
Meine Damen und Herren

Das World Demographic and Ageing Forum ist ein Thinktank, dessen analytische Rolle eine hohe Anerkennung geniesst. Dieser Thinktank wurde 2002 von einer Gruppe visionärer Schweizer gegründet. Ihr Ziel war es eine liberale Plattform zu schaffen, um über den demografischen Wandel und die globalen Trends mit einem besonderen Fokus auf deren Auswirkungen auf die Schweiz nachzudenken.

Aus der Ostschweiz wird somit dazu beigetragen, dass unser Land wettbewerbsfähig bleibt; und das sind wir: Gemäss dem Global Competitiveness Index liegen wir seit Jahren auf einem Spitzenplatz!

Einer dieser Visionäre war Erich Walser, der damalige Präsident der Helvetia Gruppe. Der Generationenpreis wurde später zu seinen Ehren umbenannt. Seine Vision wird von vielen Menschen geteilt, die heute hier in diesem Saal sind. Eine möchte ich besonders erwähnen, nämlich Dr. Hans Groth, den Verwaltungsratspräsidenten des WDA Forums. Herzlichen Dank!

1. Einleitung: Eine klare Botschaft für die künftigen Generationen

Frau Carla del Ponte und ich haben nebst unserer Tessiner-Herkunft noch Weiteres gemeinsam: Beide sind wir Freunde des direkten und ehrlichen Wortes und beide mögen wir Floskeln nicht.

Wenn bedacht wird, dass die heutige Preisträgerin bereits einige Male gewürdigt wurde, macht es das für mich zusätzlich schwer, denn: Vieles wurde bereits gesagt! Lobendes wie auch Kritisches, aber: Ständige Kritik ist das Los öffentlicher Personen, glauben Sie mir, auch ich kann ein Lied davon singen, vor allem in einem Wahljahr ;-)
Ebenso erblicke ich den Preisträger von 2016, der mir vielleicht beipflichten wird, oder Herr alt-Bundesrat Ogi?

Carla del Ponte sagt, dass sie von der öffentlichen Bühne abgetreten sei und sich ins Privatleben zurückgezogen habe, mit ihren Enkelkindern, mit Bridge, Golf und einem guten Glas Champagner. Napoleon Bonaparte hat übrigens einmal gesagt: «Je ne peux vivre sans champagne, en cas de victoire, je le mérite; en cas de défaite, j’en ai besoin». Und natürlich giltauch für Sie, Frau del Ponte: Sie haben ihn häufiger verdient, als dass Sie ihn gebraucht hätten.

Vom Champagner, welcher beim Apéro wartet, vorher noch zurück auf das Wesentliche: Warum sind wir heute hier, um Carla del Ponte zu ehren?
Weil wir eine wichtige Botschaft für die jungen Menschen, die künftigen Generationen haben. Weil wir nach vorne schauen und den Kurs für die nächsten Jahrzehnte bestimmen wollen. Wir wollen Vorbilder für ein gesellschaftliches Engagement im Hinblick auf Frieden und Gerechtigkeit hervorheben.

2. Carla del Ponte: die Suche nach Frieden durch Gerechtigkeit

Carla del Ponte hat sich im In- und Ausland einen Namen gemacht als bedeutende, mutige und glaubwürdige Persönlichkeit, weil sie es verstanden hat, eine klare Botschaft zu vermitteln. Sie hat nicht nur Klartext gesprochen, sondern ihre Botschaft auch gelebt: Gerechtigkeit ist Wahrheit, und ohne Wahrheit gibt es keinen Frieden. Gerechtigkeit zu üben bedeutet vor allem, nach der Wahrheit zu suchen. Frau del Ponte hat ihr ganzes Berufsleben dieser Suche gewidmet. Es geht hier nicht um ein theologisch-moralisches Konzept, sondern um wissenschaftliche Wahrheit. Um den Mut, Zweifel zu hegen, sich und andere aufgrund konkreter Daten und Fakten immer wieder zu hinterfragen.

Diese fortwährende Suche ist auch der Grund, warum Carla Del Ponte in den 1980er-Jahren Staatsanwältin des Sottoceneri wurde und den Kampf gegen das organisierte Verbrechen an der Seite der Mafiajäger Falcone und Borsellino aufnahm. Später wurde sie Bundesanwältin und Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs für Kriegsverbrechen in Den Haag.

Ein grosses Anliegen war es ihr, dass der bosnische Serbenführer Radovan Karadzic und dessen General Ratko Mladic noch vor Ablauf ihres Mandats Ende 2007 verhaftet würden. Auch wenn dies erst einige Jahre später geschah – Karadzic im Juli 2008 und Mladic im Mai 2011 – so ist dies doch vor allem ihr Verdienst!

Carla del Ponte nahm Aufgaben und Engagements stets für die Schweiz wahr und nicht um ihretwillen.
Es kann deswegen nur als Nebeneffekt bezeichnet werden und trotzdem: Ihre Tätigkeiten machten sie weltweit zur bekanntesten Schweizer Persönlichkeit nach Roger Federer. Aber es braucht natürlich mehr als 3 Sätze und zweieinhalb Stunden Tennis, um Kriegsverbrecher zu verhaften...

Aber: Hartnäckige und sorgfältige Arbeit trägt früher oder später Früchte.

Zwischen 2011 und 2017 nahm Carla del Ponte ihr letztes Engagement in der breiten Öffentlichkeit wahr: Sechs Jahre in der Unabhängigen Untersuchungskommission der UNO für Syrien, wo sie Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen untersuchte.

Mitverantwortlich für ihren Rücktritt aus der «Schwatzbude» – wie sie die UNO in der ihr eigenen deutlichen Sprache bezeichnete – waren die Trägheit und der mangelnde Handlungswille des damaligen Sicherheitsrates. Ihr Vertrauen in die multilaterale Arbeit hat sie aber weder damals noch heute verloren. Dies gilt auch für die Schweiz: Die Schweiz unterstützt die von UNO-Generalsekretär António Guterres vorgeschlagenen Reformen.

Wir sind überzeugt, dass die UNO eine institutionelle und nicht nur eine kosmetische Reform benötigt, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten zu fördern und zu festigen, wie es die UNO-Charta vorgibt.

Vor gut einem Jahr haben wir das 70-jährige Jubiläum der Allgemeinen Menschenrechtserklärung gefeiert. Wir haben dabei zurecht wichtige Fortschritte gewürdigt: Die internationale Strafgerichtsbarkeit wurde gefestigt, insbesondere für Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Frauenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter geniessen heute weltweit erhöhte Aufmerksamkeit.

Das globale Bildungs- und Gesundheitsniveau war noch nie so hoch wie heute.

Vor zwei gefährlichen Tendenzen wollen wir die nächste Generation aber bewahren:
a) Die erste besteht darin, unsere Augen zu verschliessen, wenn wir Verstösse beobachten oder den Geltungsbereich der Menschenrechte verkleinern.
b) Die zweite besteht darin, die Menschenrechte immer allgemeiner und abstrakter zu behandeln, was den jüngeren Generationen nicht hilft, die Bedeutung des Themas zu erkennen.

3. Die Schweiz muss wissen, welchen Weg sie nehmen will

Persönlichkeiten wie Carla del Ponte, welche sich durch ihre berufliche Karriere, ihr ausserordentliches Engagement und ihre Konsequenz auszeichnen, weisen künftigen Generationen den Weg. Aber auch die Schweiz als Land hat grosses Interesse daran, stets nach vorne zu schauen und zu definieren, welchen Weg sie künftig nehmen will.

Aus diesem Grund habe ich durch eine Expertengruppe den Bericht «Aussenpolitische Vision Schweiz 2028» erstellen lassen. AVIS28 analysiert künftige Herausforderungen und macht zahlreiche Vorschläge zur Anpassung der aussenpolitischen Instrumente an die Realität der Zukunft: So soll die Schweiz ihre Aussen- und Innenpolitik enger verknüpfen, bei ihrem Engagement für eine friedlichere und stabile Welt stärker auf ihre Soft Power setzen und die neuen Technologien als ein Themenfeld der Aussenpolitik etablieren. Damit haben wir bereits begonnen, vor allem im internationalen Genf.

Die Schweiz ist für ihren Wohlstand und ihre Sicherheit auf eine regelbasierte Ordnung angewiesen. Dazu zählt ein wirksamer Multilateralismus, der gerade in diesen Tage 100 Jahre alt wird.

Das Völkerrecht ist eine Lebensversicherung für die Schweiz: Sie sollte sich deshalb auch für die Einhaltung bestehender Verpflichtungen einsetzen. Das gilt vor allem für das humanitäre Völkerrecht, welches heute immer mehr unter Druck gerät, wie dies auch Carla del Ponte im Fall von Syrien wiederholt gesagt hat.

4. Schluss

Wie in allen Konfliktzonen braucht es auch in Syrien in erster Linie einen starken politischen Willen zu Frieden und Gerechtigkeit. Aber wenn der Rechtsmechanismus einmal steht, muss er unabhängig von der Politik wirken können.

«Silent enim leges inter arma» – unter den Waffen schweigen die Gesetze, sagte Cicero vor 2000 Jahren. Zitate sind immer Kinder ihrer Zeit. Es will sicherlich niemand behaupten, dass wir in den letzten 2000 Jahren keine Fortschritte gemacht haben.

Heute dürfen wir mit Henry Dunant und Carla Del Ponte sagen: Gesetze müssen auch im Krieg eingehalten werden, und wenn sie missachtet werden, muss Gerechtigkeit, muss Wahrheit geschaffen werden.

Liebe Carla, wir danken dir für dein ausserordentliches Engagement, deine Hartnäckigkeit und dafür, dass deinen klaren Worten kompromissloses Handeln folgte, wenn dies nötig war. Bravo!


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Ultima modifica 06.01.2023

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