«Weiterhin Kurs halten auf die weltweite Abschaffung der Todesstrafe»
Heute beginnt in Berlin der Weltkongress gegen die Todesstrafe, der bis zum 18. November 2022 dauert. Als Co-Schirmherrin des Kongresses spielt die Schweiz eine führende Rolle beim Engagement zur weltweiten Abschaffung der Todesstrafe. Zeit für ein Gespräch mit Botschafter Simon Geissbühler, Chef der Abteilung Frieden und Menschenrechte und Leiter der Schweizer Delegation am Weltkongress.
Der Weltkongress gegen die Todesstrafe findet vom 15. bis 18. November 2022 in Berlin statt, wo über 90 Länder vertreten sind. © ECPM
Warum engagiert sich die Schweiz für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe?
Die Schweiz engagiert sich für eine Welt ohne Todesstrafe, da diese gegen das Grundrecht auf Leben sowie gegen das Verbot der Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verstösst. Die Todesstrafe verletzt nicht nur die Würde und die Rechte der verurteilten Person, sondern auch diejenigen der übrigen Betroffenen, vor allem ihrer Kinder und ihrer engen Familienangehörigen. Auch ist wissenschaftlich nicht bewiesen, dass sie potenzielle Straftäter mehr abschreckt als andere schwere Strafen. Und wenn die Todesstrafe vollstreckt wird, kann ein allfälliger Fehlentscheid des Gerichts nicht rückgängig gemacht werden. Es kommt immer wieder vor, dass Unschuldige hingerichtet werden, was wir in einem Rechtsstaat nicht hinnehmen können.
Was ist der Weltkongress gegen die Todesstrafe?
Der Weltkongress gegen die Todesstrafe ist die grösste internationale Veranstaltung zur Abschaffung der Todesstrafe. Er findet alle drei Jahre statt. Dieses Jahr kommen rund 1000 Vertreterinnen und Vertreter von Staaten, internationalen Organisationen, Nichtregierungsorganisationen und parlamentarischen Netzwerken in Berlin zusammen. Der Kongress ist nicht nur eine wichtige Plattform für den Austausch und die Lancierung neuer Initiativen, sondern bietet den Regierungen auch eine Bühne, wenn sie konkrete Fortschritte auf dem Weg zur Abschaffung der Todesstrafe bekanntgeben wollen.
Wie unterstützt die Schweiz diesen Anlass?
Die Schweiz unterstützt die Durchführung des Kongresses politisch und finanziell. In den letzten Monaten wirkte sie bei Demarchen mit, die gemeinsam mit dem Gastgeberland Deutschland sowie Frankreich, Norwegen und der EU in den Hauptstädten unternommen wurden. Ziel war es, rund 40 Staaten zu ermutigen, konkrete Verpflichtungen zur Abschaffung der Todesstrafe einzugehen. Wir hoffen daher, dass es bei der Eröffnung des Kongresses einige erfreuliche Ankündigungen von diesen Staaten gibt.
Welches ist das wichtigste Anliegen der Schweiz bei diesem Kongress?
Es geht vor allem darum, das entschlossene Engagement der Schweiz für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe zu bekräftigen, das seit 40 Jahren zu ihren aussenpolitischen Schwerpunkten gehört. Die Schweiz spielt bei den Initiativen zur Abschaffung, Aussetzung und Einschränkung der Todesstrafe in der UNO eine zentrale Rolle. Sie war eng beteiligt an den Verhandlungen über eine Resolution, mit der ein Moratorium für die Anwendung der Todesstrafe gefordert wurde. Die Resolution wurde letzten Freitag an der UNO-Generalversammlung von 126 Staaten angenommen. Es ist wichtig, dass wir unseren Kurs auch im angespannten internationalen Kontext von heute beibehalten, in dem das Thema Todesstrafe manchmal in den Hintergrund rückt. Mit ihrem Engagement für die Abschaffung der Todesstrafe setzt sich die Schweiz gleichzeitig für den Schutz der Menschenrechte ein und trägt zu dauerhaftem Frieden und dauerhafter Sicherheit bei.
Wie kommt die weltweite Abschaffung der Todesstrafe voran?
Die allgemeine Entwicklung ist positiv. 144 Staaten haben die Todesstrafe per Gesetz oder in der Praxis abgeschafft. Das sind mehr als zwei Drittel aller Länder der Welt. Zum Vergleich: Vor 20 Jahren waren es erst 111 Staaten. Die Zahl der Hinrichtungen und Todesurteile ist in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zurückgegangen. Das sind positive Zeichen in einer Zeit, in der die Menschenrechte in vielen Regionen der Welt unter Druck stehen. In einigen Ländern gibt es allerdings auch besorgniserregende Entwicklungen, zum Beispiel in Myanmar, wo dieses Jahr nach einem über 30- jährigen Moratorium erstmals wieder Hinrichtungen vollstreckt wurden.