«Wir haben ein grosses Interesse an einem demokratischen und stabilen Sudan»
Vor zwei Jahren musste der sudanesische Präsident Omar al-Bashir auf Druck der Strasse zurücktreten. Seither unternimmt das Land Schritte hin zu einem demokratischen System. Botschafterin Siri Walt, Chefin der Abteilung Afrika im EDA, reist mit einer Delegation nach Khartum, um auszuloten, wo die Schweiz den Übergang zur Demokratie im Sudan besonders wirksam unterstützen kann.
Aufbruchstimmung: Mit dem Sturz des langjährigen Präsidenten Omar al-Bashir hat im Sudan ein Demokratisierungsprozess begonnen. ©Keystone
Frau Walt, Sie leiten eine Delegation, die vom 13. bis 14. Juni im Sudan politische Gespräche führt. Was macht den Sudan für die Schweiz interessant?
Vor zwei Jahren überraschte das sudanesische Volk die Welt, als es für Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit auf die Strasse ging. Seit dem Sturz des früheren Regimes hat der Sudan einen Weg in Richtung Frieden und Demokratie eingeschlagen. Die Schweiz hat ein grundlegendes Interesse an einer inklusiven politischen Transition zu einem demokratischen und stabilen Staat, der insbesondere der jungen Bevölkerung neue Perspektiven eröffnet. Diese Stossrichtung deckt sich mit der Subsahara-Afrika-Strategie, welche die Unterstützung des Friedens- und Transitionsprozesses am Grossen Horn von Afrika als einer Priorität der Schweiz definiert.
Es versteht sich von selbst, dass die Covid-19-Pandemie auch den Sudan getroffen hat, der schon vor der Pandemie mit einer katastrophalen wirtschaftlichen Situation zu kämpfen hatte. Trotz dieser schwierigen Ausgangslage hat der Sudan wichtige Reformen im Wirtschafts- und Finanzsektor durchgeführt, die den Weg für die internationale Zusammenarbeit und tragfähige Handelsbeziehungen sowie für eine erfolgreiche demokratische Transition geebnet haben.
Welches Potenzial haben die jüngsten Entwicklungen im Sudan für die bilaterale Zusammenarbeit mit der Schweiz? Wo sehen Sie den grössten Spielraum?
Eine erfolgreiche politische Transition ist nicht nur für den Sudan zentral, sondern auch für die gesamte Region und für uns. Wir werden daher unser Engagement im Sudan in den kommenden Jahren ausbauen. Neben der humanitären Hilfe und der bilateralen Diplomatie will die Schweiz auch durch Entwicklungszusammenarbeit, Migrationspolitik, Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte zum Transitionsprozess beitragen. Zudem werden wir über unsere Wirtschaftspolitik, namentlich unseren Einfluss in der Weltbank und im Internationalen Währungsfonds, die wirtschaftlichen Reformen einschliesslich der Entschuldungsmassnahmen unterstützen.
Die Schweiz verfügt auch über multilaterale Kanäle, um die Transition im Sudan zu stärken. Dazu gehören ihr Sitz im Direktorium der Weltbankgruppe und ihr Beitrag an die neue UNO-Mission im Sudan (UNITAMS).
Wie würden Sie das heutige bilaterale Verhältnis der Schweiz zum Sudan beschreiben?
Unsere bilateralen Beziehungen sind sehr gut und beruhen vor allem auf unserem langjährigen Friedensengagement im Sudan. Im Jahr 2002 richtete die Schweiz auf dem Bürgenstock Verhandlungen für ein Waffenstillstandsabkommen für die Nubaberge aus, deren Zustandekommen sie im Vorfeld unterstützt hatte. Dieser wichtige Waffenstillstand ebnete den Weg für das umfassende Friedensabkommen von 2005, das den jahrzehntelangen Bürgerkrieg im Sudan beendete. Seit über 20 Jahren ist der Sudan ein Schwerpunktland der Humanitären Hilfe der Schweiz. Heute wollen wir die demokratische Transition in diesem Land unterstützen und unsere langjährige Freundschaft, die auf gegenseitigem Vertrauen und Zusammenarbeit beruht, weiter vertiefen.
Im vergangenen Herbst hat die Schweiz nach schweren Überschwemmungen im Sudan humanitäre Hilfe geleistet. Inwiefern reiht sich dieses Engagement in die langfristige Zusammenarbeit der Schweiz ein?
Die Schweiz stellt jährlich 8,5 Millionen Franken für die humanitäre Hilfe im Sudan zur Verfügung. 2020 wurde im Zusammenhang mit den schweren Überschwemmungen zusätzlich eine Million Franken gesprochen. Die Humanitäre Hilfe der Schweiz kann in Krisensituationen rasch und effizient helfen. Im Sudan können solche Aktivitäten zu einer Stärkung der gemeinsamen Partnerschaft beitragen.