Der Bundesrat lanciert seine Südostasien-Strategie

Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 15. Februar 2023 seine erste Südostasien-Strategie verabschiedet. Diese Strategie definiert – ausgehend von den thematischen Schwerpunkten der Schweizer Aussenpolitik – Ziele und Massnahmen bis 2026. Rund um die Themen Frieden und Sicherheit, Wohlstand, Nachhaltigkeit und Digitalisierung sollen die Beziehungen zu den elf Ländern dieser dynamischen Region vertieft werden.

Südostasien wächst dynamisch. Zwischen 2023 und 2026 möchte die Schweiz ihre Beziehungen zu den Ländern dieser Region weiter ausbauen, um für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet zu sein. © Shutterstock

Im März 1862 spricht sich der damalige Vorsteher des Handels- und Zolldepartements (Vorläufer des WBF), Friedrich Frey Hérosé, in einer Notiz an den Bundesrat für die Eröffnung eines neuen Konsulats aus. Er verweist in seiner Notiz auf die wachsende Bedeutung des europäischen Handels mit den ostasiatischen Ländern und hält fest, dass zu den zahlreichen europäischen Unternehmen, die in der Region ansässig sind und ihre Produkte vertreiben, auch mehrere Schweizer Unternehmen gehören. Im gleichen Jahr eröffnet die Schweiz ein Konsulat in Manila, das erste in Asien.

160 Jahre später fällt der Befund kaum anders aus: Die Bedeutung Südostasiens nimmt stetig zu. Die elf Länder der Region bilden zusammen den fünftgrössten Wirtschaftsraum der Welt. Der gemeinsame Wirtschaftsraum des Verbands Südostasiatischer Nationen (ASEAN), einer zwischenstaatlichen Organisation der Länder dieser Region, ist nach China und Indien der drittgrösste Wirtschaftsraum in Asien. Zudem zeichnet sich diese Region, in der rund 680 Millionen Menschen leben und die ich über eine Länge von 6000 Kilometern erstreckt, durch ihren natürlichen, kulturellen, sprachlichen und ethnischen Reichtum aus. Vor diesem Hintergrund bietet sich für die Schweiz die grosse Chance, ihre Beziehungen zum asiatischen Kontinent auszubauen und zu diversifizieren.

Eine bilaterale und multilaterale Strategie

Die Südostasien-Strategie ist das Ergebnis einer umfassenden Konsultation aller Beteiligten innerhalb und ausserhalb der Bundesverwaltung, namentlich der betroffenen Departemente, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft. Sie dient als Rahmen für die kohärente Umsetzung der aussenpolitischen Schwerpunkte des Bundesrates in Südostasien, sowohl in bilateraler (Vertiefung der Beziehungen zu jedem einzelnen der elf Staaten) als auch in multilateraler Hinsicht (Vertiefung der Beziehungen zum ASEAN). Die Südostasien-Strategie orientiert sich an den vier thematischen Schwerpunkten der Aussenpolitischen Strategie der Schweiz: Frieden und Sicherheit, Wohlstand, Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Ebenfalls Teil der Strategie ist die Unterstützung der rund 18 600 Schweizerinnen und Schweizer, die in dieser Region leben. Im Folgenden wird zu jedem Schwerpunkt ein Beispiel gegeben.

Karte mit den elf Ländern, die Südostasien bilden: Myanmar, Thailand, Laos, Vietnam, Kambodscha, Malaysia, Singapur, Indonesien, Brunei-Darussalam, Philippinen und Timor-Leste.
Südostasien besteht aus elf Ländern. Zusammen bilden sie die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt. © EDA

Frieden und Sicherheit

Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der Region sind untrennbar verknüpft mit deren Sicherheit und Stabilität. Die Schweiz trägt mit den ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten zur Vorbeugung und Lösung bewaffneter Konflikte in Südostasien bei.

Besonderes Augenmerk gilt dabei den Menschenrechten. Die Schweiz setzt sich auf diplomatischem Wege für das Recht auf freie Meinungsäusserung, die Abschaffung der Todesstrafe, die Verhütung von Folter und den Minderheitenschutz in der Region ein.

Auch für die Achtung des Völkerrechts macht sie sich stark. Der Schweizer Einsitz im UNO-Sicherheitsrat in den Jahren 2023 und 2024 bietet Gelegenheit, die Zusammenarbeit in diesem Bereich zu verstärken.

Ein Beispiel: Stärkung des sozialen Zusammenhalts in Myanmar

Ein Tempel und ein Haus bei Sonnenuntergang im Nebel im Staat Rakhine in Myanmar.
Seit 2017 kommt es im Bundesstaat Rakhine zu Spannungen und Gewalt zwischen den Volksgruppen. Die Schweiz unterstützt dort lokale Organisationen, um den sozialen Zusammenhalt zu fördern. © Keystone

Die Schweiz unterstützt an der Westküste des Landes, im Bundesstaat Rakhine, lokale Organisationen, die der Bevölkerung Raum für interkulturelle Verständigung und Dialog bieten, um den sozialen Zusammenhalt zwischen den beiden grössten Religionsgemeinschaften des Landes, den Muslimen und den Buddhisten, zu stärken. Zudem wurde ein Frühwarnsystem geschaffen, mit dem die Zunahme von Gewalt und Hassreden frühzeitig erkannt werden soll. Ferner werden Schulungen angeboten, in denen die verschiedenen Gemeinschaften lernen, wie sie den Wahrheitsgehalt der verbreiteten Informationen überprüfen können. 

Wohlstand

Südostasien gehört zu den dynamischsten Wirtschaftsräumen der Welt. Damit besteht in der Region ein wachsendes Potenzial für Schweizer Wirtschaftsinteressen. Der Anteil Südostasiens am Schweizer Aussenhandel beträgt 4 Prozent (2000: 2 %). Rund ein Drittel der Schweizer Investitionen in Asien fliesst nach Südostasien.

Die Schweizer Unternehmen benötigen gute Rahmenbedingungen, um dieses wachsende Potenzial nutzen zu können. Die Schweiz ist deshalb bemüht, den Marktzugang mittels Freihandelsabkommen weiter zu verbessern.

Ferner engagiert sie sich, namentlich im Rahmen der Kooperationsprogramme der DEZA und des SECO, für die Verbesserung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Perspektiven in den armen Ländern Südostasiens.

Ein Beispiel: Laufende Verhandlungen über Freihandelsabkommen

Frachtschiffe im Hafen von Singapur, die in die gleiche Richtung fahren.
Das Handelsvolumen zwischen der Schweiz und den Ländern der Region hat sich in den letzten Jahrzehnten vervielfacht. © Keystone

Es bestehen bereits Freihandelsabkommen mit den Philippinen, Singapur und seit 2021 mit Indonesien. Die Schweiz verfolgt weiterhin dieselbe Stossrichtung und arbeitet derzeit am Abschluss von Abkommen mit Thailand, Vietnam und Malaysia.

Das künftige Freihandelsabkommen mit Malaysia wird im Übrigen wirksame Nachhaltigkeitsbestimmungen enthalten, die zur Verbesserung der Umweltsituation des Landes beitragen sollen. Nach dem Vorbild des umfassenden Wirtschaftspartnerschaftsabkommens mit Indonesien soll so unter anderem die nachhaltige Produktion von Palmöl gefördert werden. 

Nachhaltigkeit

Die Schweiz setzt sich im Rahmen der Agenda 2030 für die nachhaltige Entwicklung Südostasiens ein. Sie unterstützt dort die Bekämpfung des Klimawandels sowie Massnahmen zur Anpassung an dessen Auswirkungen. Dem Umgang mit Naturgefahren kommt in dieser Region, die besonders stark von Klimarisiken betroffen ist, grosse Bedeutung zu.

Die nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen ist ebenfalls Gegenstand des Schweizer Engagements. Die Schweiz fördert ein verantwortungsvolles Wassermanagement und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in diesem Bereich. Ferner unterstützt sie Massnahmen zur Förderung nachhaltiger Ernährungssysteme und zur Verbesserung des Schutzes der Wälder. 

Ein Beispiel: Laos – das «Wasserschloss» Südostasiens

Frauen stehen am Steuer von Booten, die Lebensmittel auf dem Mekong-Fluss transportieren.
Der Mekong ist ein fester Bestandteil des Lebens der Menschen in Südostasien. Im Süden Vietnams gibt es schwimmende Märkte, auf denen sich die Einwohner mit Lebensmitteln versorgen können. © Keystone

Der Mekong durchfliesst oder berührt das Staatsgebiet von Laos auf fast 1900 Kilometern. Dieser Fluss, der als Transportweg, Nahrungsquelle und Energielieferant dient, ist von grösster Bedeutung für das Land, jedoch nicht unerschöpflich. Der Klimawandel und die zahlreichen Staustufen lassen seinen Pegelstand stark schwanken. Überfischung und Verschmutzung bedrohen sein ökologisches Gleichgewicht und stellen eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit der Anwohnerinnen und Anwohner dar.

Die Schweiz setzt sich namentlich dafür ein, dass sich der Staat um eine umsichtige Nutzung der Wasserkraft sowie um einen grenzüberschreitenden Zugang und eine nachhaltige Bewirtschaftung des Flusses bemüht.

Digitalisierung

Südostasien ist ein aufstrebender Innovationsstandort für digitale Technologien. Deshalb möchte die Schweiz mit bestimmten Staaten der Region regelmässige Gespräche über die digitale Gouvernanz und die Erleichterung des digitalen Handels führen.

Die digitalen Technologien bieten zudem dank ihrer Innovativität neue Möglichkeiten für die wissenschaftliche Zusammenarbeit und für die Förderung einer inklusiven und nachhaltigen Entwicklung.

Ein Beispiel: Singapur und die Wissenschaftsdiplomatie

Ein junges Mädchen, das einen Schleier trägt, zieht eine Hauptplatine aus einem Rechner.
Wie hier in Malaysia ermöglichen digitale Technologien Innovationen und machen eine integrative und nachhaltige Entwicklung möglich. © Keystone

Als einer der innovativsten Staaten der Welt ist Singapur der ideale Partner für eine strukturierte und dauerhafte Zusammenarbeit im Bereich der Digitalisierung und der Wissenschaftsdiplomatie.

Die Schweiz ist insbesondere bestrebt, die Partner aus Singapur stärker an den Arbeiten der Stiftung «Geneva Science and Diplomacy Anticipator» (GESDA) zu beteiligen, am Schnittpunkt zwischen Wissenschaft und Diplomatie.

Bürgerservice

In Südostasien leben rund 18 600 Schweizerinnen und Schweizer. Auch von den Schweizer Touristinnen und Touristen ist die Region sehr beliebt. Vor der Covid-19-Pandemie reiste jährlich rund eine halbe Million Schweizerinnen und Schweizer in die ASEAN-Länder.

Mit der Südostasien-Strategie leistet die Schweiz den Auslandsschweizerinnen und -schweizern weiterhin eine wirksame und bedarfsgerechte Unterstützung.

Ein Beispiel: Thailand – Schweizer Lieblingsziel in Asien

Ein Tourist macht ein Selfie auf einer überfüllten Straße, über der Flaggen hängen.
Vor der COVID-19-Pandemie machte der Tourismus etwa ein Fünftel der Wirtschaftsleistung Thailands aus. © Keystone

Mit rund 9600 Schweizerinnen und Schweizern beherbergt Thailand die grösste Schweizer Gemeinschaft in Asien. Zudem kamen vor der Covid-19-Pandemie jährlich rund 200 000 Schweizer Touristinnen und Touristen ins Land.

Der Schweiz ist es ein zentrales Anliegen, ihren Bürgerinnen und Bürgern in Thailand eine wirksame und bedarfsgerechte Unterstützung zu bieten. Ein regelmässiger konsularischer Dialog mit den thailändischen Behörden im Hinblick auf eine Verbesserung des Rechtsrahmens für Langzeitaufenthalte ist fester Bestandteil dieser Bemühungen. 

Diversifizierung der Beziehungen zu den asiatisch-pazifischen Ländern

Die Südostasien-Strategie dient dazu, die zahlreichen Chancen, die der Aufschwung des asiatisch-pazifischen Raums bietet, ausgewogen zu nutzen. In diesem Sinne ergänzt sie die China-Strategie des Bundesrates von 2021.

Die Schweiz ist in mehreren multilateralen Gremien in der gesamten asiatisch-pazifischen Region vertreten, um ihre Zusammenarbeit mit den südostasiatischen Ländern zu pflegen und ihre Beziehungen zum asiatisch-pazifischen Raum zu diversifizieren. So ist sie zum Beispiel seit 1967 Mitglied der asiatischen Entwicklungsbank. Sie ist nicht nur Kreditgeberin, sondern unterstützt auch einzelne Projekte, unter anderem im Bereich der erneuerbaren Energien und des Katastrophenmanagements. Ferner ist sie Gründungsmitglied einer anderen multilateralen Entwicklungsbank für den asiatisch-pazifischen Raum, der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank.

Im Weiteren unterstützt die Schweiz die Asien-Europa-Stiftung, deren Sekretariat in Singapur angesiedelt ist. Sie beteiligt sich an den Bemühungen, die Beziehungen zwischen Europa und dem asiatisch-pazifischen Raum auf der Ebene der Behörden und der Zivilgesellschaft anhand von konkreten Projekten zu vertiefen. Gemeinsam mit den südostasiatischen Staaten nimmt die Schweiz regelmässig an der wichtigsten Sicherheitskonferenz des asiatisch-pazifischen Raums (Shangri-La-Dialog) teil, die einmal pro Jahr in Singapur stattfindet.

Multilaterales Engagement mit der ASEAN

Die ASEAN ist die wichtigste multilaterale Organisation in Südostasien. Ihr gehören alle Staaten der Region an. Timor-Leste hat seit Ende 2022 Beobachterstatus. Die Vertretungen der Mitgliedsländer treffen sich regelmässig, um sich auszutauschen und gemeinsame Herausforderungen zu besprechen. Die ASEAN bietet ausserdem den Vorteil, dass sie die wichtigen Entscheidungsträgerinnen und -träger des südostasiatischen Raums und des asiatisch-pazifischen Raums im weiteren Sinne an einen Tisch bringt.

Die Schweiz pflegt seit 2016 einen sektoriellen Dialog mit der ASEAN. In Rahmen dieser Partnerschaft verfügt sie über einen privilegierten Zugang zu hochrangigen Treffen, etwa auf Stufe der Aussen- und Wirtschaftsministerinnen und -minister. Die Südostasien-Strategie dient unter anderem der Intensivierung dieser Partnerschaft.

Neben der Pflege der bereits bestehenden politischen Beziehungen wird mit der Strategie auch der Ausbau der technischen Zusammenarbeit mit der ASEAN angestrebt, namentlich in den Bereichen Digitalisierung, Berufsbildung, Katastrophenvorsorge, Menschenrechte und Umwelt. Diese Themen stehen im Einklang mit den Werten und Interessen der Schweizer Aussenpolitik.

Die Schweiz geniesst in Südostasien einen ausgezeichneten Ruf, den sie ihrer Innovationskraft, ihrer Wettbewerbsfähigkeit, ihrem Engagement im Bereich der Entwicklungshilfe und der humanitären Hilfe sowie ihrer Glaubwürdigkeit als internationale Akteurin zu verdanken hat. Zudem bestehen intensive persönliche und familiäre Beziehungen zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern der Schweiz und jenen des südostasiatischen Raums. Neben der Konsolidierung der bestehenden Beziehungen der Schweiz zu den Staaten Südostasiens dient die Strategie der Diversifizierung der Schweizer Aussenpolitik. 

Mehr Kohärenz in der Aussenpolitik

Gestützt auf eine aktuelle Analyse des internationalen Umfelds sowie der Entwicklungen und Trends, die künftig von Bedeutung sein werden, hat der Bundesrat in seiner Ende Januar 2020 veröffentlichten Aussenpolitischen Strategie 2020–2023 eine allgemeine Stossrichtung festgelegt.

Im Sinne eines Stufenmodells sind die Schwerpunkte der Schweiz in geografischen und themenspezifischen Strategien konkretisiert. Durch diesen Ansatz sorgt der Bundesrat für mehr Kohärenz in der Schweizer Aussenpolitik. Die Südostasien-Strategie ist Teil dieser geografischen Strategien, welche die Schweizer Aussenpolitik in den verschiedenen Teilen der Welt konkretisieren. In den themenspezifischen Strategien wie der Strategie der internationalen Zusammenarbeit sind die Schwerpunkte der jeweiligen Themengebiete festgelegt.

Weitere Informationen über die strategische Kaskade der Schweizer Aussenpolitik

Zum Anfang