Die «National Peace Accords»: Wie die Schweiz friedliche Wahlen in Nigeria unterstützt

Die Präsidentschaftswahlen vom 25. Februar und Gouverneurswahlen vom 18. März 2023 sind für die Zukunft Nigerias wegweisend, fanden aber in einer Zeit statt, in der die Sicherheitslage und die wirtschaftliche Situation des Landes äusserst fragil sind. Im Vorfeld der Wahlen haben deshalb die Präsidentschaftskandidaten die «National Peace Accords» unterzeichnet und sich darin verpflichtet, auf gewaltfördernde Rhetorik zu verzichten und das offiziell bestätigte Wahlergebnis zu anerkennen oder mittels rechtlich vorgesehenen Prozeduren anzufechten. Das EDA hat die Ausarbeitung der Vereinbarung unterstützt.

Auf einer Bühne unterschreiben die Präsidentschaftskandidaten die «National Peace Accords».

Am 22. Februar haben die Präsidentschaftskandidaten in Abuja die «National Peace Accords» unterschrieben. © EDA

In Nigeria endet nach acht Jahren die Amtszeit des aktuellen Präsidenten Muhammadu Buhari. Sie ist verfassungsmässig auf zwei Mandate beschränkt. Bei der Wahl eines Nachfolgers oder einer Nachfolgerin stand Ende Februar 2023 viel auf dem Spiel. Denn neben dem als Wahlsieger erklärten Bola Ahmed Tinubu von der regierenden Partei All Progressives Congress (APC) waren laut Umfragen auch den Kandidaten Atiku Abubakar von der People's Democratic Party (PDP) und Peter Obi von der Labour Party Chancen zugerechnet worden. Effektiv hat seit der demokratischen Transition Nigerias in den 1990er Jahren nebst den etablierten zwei Parteien APC und PDP eine dritte Kraft, die Labour Party, einen signifikanten Zuspruch an der Urne erhalten. In allen Präsidentschaftswahlen seit den 1990er Jahren gab es zahlreiche Anwärter anderer Parteien, diese waren jedoch im Gegenteil zu der Labor Party jeweils chancenlos.

Herausforderungen auf vielen Ebenen

Wahlen mit 93,5 Mio. wahlberechtigten Nigerianerinnen und Nigerianer – der grössten Wählerschaft in ganz Afrika – sind bereits auf logistischer Ebene eine Herkulesaufgabe. Die Unabhängige Nationale Wahlkommission (INEC), die für die Ausrichtung der Wahlen verantwortlich ist, war mit zahlreichen Vorfällen konfrontiert, u.a. physische Angriffe auf Einrichtungen der lokalen Wahlbehörden sowie Vorwürfen, dass Stimmrechtsausweise aufgekauft wurden. Auch die prekäre Sicherheitslage in Nigeria verstärkte die Befürchtungen, dass es bei den Wahlen zu Gewaltakten kommen könnte.

Nicht zuletzt bedeuten Wahlen auch immer einen Stress-Test für die diverse nigerianische Gesellschaft, in der die religiösen, ethnischen und regionalen Spannungen hoch sind. Gerüchte, Falschinformationen und Desinformationskampagnen, die durch Social Media verbreitet werden, erhöhen die Polarisierung zusätzlich. Dazu gesellen sich einschneidende wirtschaftliche Probleme.

Schweiz unterstützt Massnahmen zur Stärkung der Demokratie

Umso wichtiger sind angesichts dieser Lage Instrumente, die die Durchführung friedlicher Wahlen möglich machen. Ein zentraler Stabilisierungsfaktor ist das National Peace Commitee (NPC). Die Organisation wurde 2014 im Vorfeld der Wahlen von ehemaligen nigerianischen Staatsmännern sowie in Nigeria respektierten Persönlichkeiten aus den Bereichen Religion, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gegründet – als Reaktion auf sich abzeichnende Spannungen und auch auf Anregung der Schweiz. Seit dessen Gründung unterstützt die Abteilung Frieden und Menschenrechte des EDA das NPC mit dem übergeordneten Ziel die Demokratie zu stärken. Gemeinsam mit der Kofi-Annan-Stiftung hat sie massgeblich dazu beigetragen, dass sich die Organisation als eine der wichtigsten und angesehensten nigerianischen Organisationen im Bereich Friedensförderung rund um die Wahlen etabliert hat.

Schweizer Botschafter Nicolas Lang begibt sich zum Podium für seine Rede.
Das EDA gestaltete die Entstehung des «National Peace Accord» prägend mit. Im Bild, Schweizer Botschafter Nicolas Lang beim Treffen in Abuja. © EDA

National Peace Accords

Das politische Flaggschiff des NPC sind die «National Peace Accords». Dabei handelt es sich um einen politischen Verhaltenskodex, bei dem sich die politischen Parteien und die Präsidentschaftskandidaten öffentlich dazu verpflichten, im Wahlkampf auf aufrührerische und gewaltfördernde Rhetorik zu verzichten und das Wahlresultat zu akzeptieren, bzw. allfällige Streitigkeiten friedlich und nur mittels rechtlich vorgesehenen Wegen zu lösen. Das EDA gestaltete die Entstehung des «National Peace Accord» prägend mit. Unter anderem gelang es, die digitale Dimension – etwa das Verbot von Hassreden in sozialen Medien - in die «National Peace Accords» aufzunehmen. Ausserdem konnten dank Schweizer Engagement die politischen Parteien in Nigeria bereits vor dem offiziellen Wahlkampagnenstart eingebunden werden, um die Gewalt bereits in der Kampagnenphase anzusprechen und zu reduzieren.

Die «National Peace Accords» haben sich als fester Bestandteil der Wahlen in Nigeria etabliert und werden in der Bevölkerung weitgehend akzeptiert. Die Zeremonie wird öffentlichkeitswirksam im nationalen Fernsehen übertragen. Um die Sichtbarkeit und Glaubwürdigkeit der «National Peace Accords» zu erhöhen, werden seit der erstmaligen Durchführung im Jahr 2015, jeweils hochrangige internationale Persönlichkeiten als Zeugen eingeladen. Die seither positiven Erfahrungen mit dem Verhaltenskodex auf nationaler Ebene haben zudem geführt, dass nun auch auf Ebene der 36 Bundesstaate Nigerias ähnliche Instrumente verabschiedet werden. Die National Peace Accords haben mittlerweile auch andere Länder dazu inspiriert, im Vorfeld ihrer Wahlen ähnliche Instrumente einzuführen.

An der diesjährigen Unterzeichnungszeremonie der «National Peace Accords» vom 22. Februar 2023 wurde die Schweiz vom Schweizer Botschafter in Nigeria, Nicolas Lang, vertreten. Nebst der EU, welche das NPC zusammen mit der Schweiz unterstützt, konnte Botschafter Lang als einziger Staatenvertreter Worte an die anwesenden Präsidentschaftskandidaten richten. In seiner Rede betonte er auch die Bedeutung von gemeinsamen Werten und Tugenden für die Demokratie und wies auf die Parallelen zwischen den politischen Systemen der Schweiz und Nigerias hin, welche beide föderalistisch organisiert sind.

Zum Anfang