Die 5. Ausgabe der Emna rumantscha ist in Rumänien zu Gast
Bundesrat Ignazio Cassis eröffnet am 20. Februar 2025 in Bukarest die fünfte internationale Woche der rätoromanischen Sprache (Emna rumantscha). Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), der Kanton Graubünden und die Lia rumantscha wollen mit ihrer gemeinsamen Initiative auch im Ausland auf die Vielfalt der Schweiz aufmerksam machen. Die Emna rumantscha ist Teil der offiziellen Reise des EDA-Vorstehers nach Rumänien. Das Thema Minderheiten zieht sich wie ein roter Faden durch diesen Besuch. Verschiedene bilaterale Treffen sowie die Unterzeichnung von Kooperationsabkommen stehen ebenfalls auf dem Programm. Interview mit dem Schweizer Botschafter in Rumänien, Massimo Baggi.

Bundesrat Ignazio Cassis hat bei der Kulturveranstaltung zur 5. Ausgabe der Emna rumantscha in Bukarest teilgenommen. © EDA
Dieser Artikel ist auch auf Rätoromanisch verfügbar.
Am 20. Februar 2025 wird in Bukarest Rätoromanisch gesprochen, insbesondere Sursilvan, eines der fünf Idiome. Grund dafür ist die fünfe Emna rumantscha, an der Bundesrat Ignazio Cassis sowie Verteterinnen und Vertreter des Kantons Graubünden und der rumänischen Behörden teilnehmen. Die Veranstaltung wird von der Schweizer Botschaft in Bukarest und vom Nationalen Dorfmuseum «Dimitrie Gusti» organisiert. Eingeladen sind Wortakrobatinnen und -akrobaten beider Länder, die die Grundidee der vom EDA-Vorsteher lancierten Initiative mittragen. Warum findet die Emna rumantscha in Rumänien statt? Die Antwort liegt auf der Hand: Die Schweiz und Rumänien verbindet eine kulturelle und sprachliche Vielfalt. «Die Emna rumantscha ist eine Gelegenheit, mit anderen Ländern eine ähnliche Erfahrung zu teilen, nämlich das alltägliche Zusammenleben verschiedener Kulturen und einer grossen Meinungsvielfalt. Die Vielfalt nährt den Dialog, der angesichts der schwierigen geopolitischen Lage wichtiger ist denn je», unterstreicht Ignazio Cassis.
Zu den Teilnehmenden dieser fünften Ausgabe gehört auch die rumänische Übersetzerin Magdalena Popescu-Marin, die Bücher aus ihrer Muttersprache ins Rätoromanische übersetzt. Das mag erstaunen. Doch die Geschichte der 91-jährigen Linguistin, die fliessend Sursilvan spricht, verbindet auf einzigartige Weise zwei Kulturen, die sich ähnlicher sind, als es auf den ersten Blick scheint.
Der Schweizer Botschafter in Rumänien, Massimo Baggi, spricht über das interkulturelle Modell in seinem Gastland und über die anderen Schwerpunkte der Reise von Bundesrat Cassis.

Die Schweiz und Rumänien setzen sich dafür ein, dass in ihren Ländern verschiedene Sprachen und Kulturen zusammenleben, sich ergänzen und bereichern. Wie sieht dieses Engagement in Rumänien konkret aus?
Wie die Schweiz ist auch Rumänien ein Land, das aus zahlreichen Minderheiten besteht, die ihre eigene Identität und ihre Besonderheiten bewahrt haben. Rumänien kennt heute zwanzig ethnische Minderheiten auf seinem Staatsgebiet an. Sie sind ungarischer, deutscher, italienischer, ukrainischer oder russischer Herkunft oder gehören den Roma an. Sie sind vor allem regional stark vertreten, haben aber auch auf nationaler Ebene ein gewisses Gewicht. So haben die Ungarn, die grösste ethnische Minderheit, eine politische Partei auf nationaler Ebene gegründet. Diese verfügt über mehr als sechs Prozent der Stimmen und gehört der Regierungskoalition in Bukarest an. Das rumänische Parlament ist sich der Bedeutung der Minderheiten bewusst und schützt deren Identität, indem jede anerkannte Minderheit Anrecht auf einen Sitz hat. Der parlamentarische Ausschuss für Minderheiten hat aktuell zwanzig Mitglieder, die den gleichen Status wie die übrigen Parlamentarierinnen und Parlamentarier haben. In Rumänien werden auch häufig die Amtssprachen der Schweiz gesprochen. Dass das Italienische, meine Muttersprache, und das Rumänische viele Gemeinsamkeiten haben, hat meine Integration erleichtert.
Die offizielle Eröffnungsfeier der Emna rumantscha findet am 20. Februar 2025 statt, einem wichtigen Datum für Rumänien, aber auch für die Schweiz...
Ja. Das ist richtig. Am 20. Februar 1856 wurde in den rumänischen Fürstentümern die Sklaverei der Roma abgeschafft und dadurch eine soziale Modernisierung in Rumänien eingeläutet. Für die Schweiz ist der 20. Februar 1938 ein historisches Datum, weil an diesem Tag das Rätoromanische zur vierten Landessprache erklärt wurde. Zudem ist der 21. Februar der Internationale Tag der Muttersprache. Wir haben also gute Gründe, eine einfache, aber hochaktuelle Botschaft zu vermitteln: Die kulturelle und sprachliche Vielfalt ist für den Aufbau einer nachhaltigen Gesellschaft unerlässlich. Es ist also auch eine Botschaft des Friedens. Denn die Mehrsprachigkeit fördert die Toleranz und den Respekt vor der Vielfalt – wichtige Zutaten für das Zusammenleben in unseren Gesellschaften. Rumänien weiss, wovon ich spreche: Alle grossen Imperien, insbesondere das Römische Reich, haben in diesem Land ihre Spuren hinterlassen, die sich im ethnischen, kulturellen und sprachlichen Mosaik des heutigen Rumänien widerspiegeln. Wir kommen in Rumänien zusammen, um mit Worten zu spielen, die eine gewisse Ähnlichkeit haben und historisch gewachsen sind. Sie haben die Globalisierung überlebt und bringen uns einander näher.
Der EDA-Vorsteher wird auch die Hafenstadt Constanța im Osten des Landes besuchen. Warum gerade diese Stadt?
Constanța ist eine der vier grössten Städte des Landes. Sie beherbergt den wichtigsten Hafen am Schwarzen Meer und ist daher für Rumänien und Europa von entscheidender geostrategischer Bedeutung. In der Stadt leben auch mehrere ethnische und sprachliche Minderheiten zusammen, darunter Türken (3,3 %), Tataren (3,1 %) und Roma (2,7 %).
An einem Rundtischgespräch mit lokalen Akteuren soll die Bedeutung der Minderheitensprachen für die regionale Entwicklung erörtert werden. Aufgrund des Kriegs in der Ukraine kommt Rumänien eine immer wichtigere Rolle zu. Das Land wird zu einem glaubwürdigen und zunehmend einflussreichen Akteur auf der internationalen Bühne. Die NATO hat ihre Präsenz im Osten Rumäniens erheblich verstärkt, und das Donaudelta ist zu einer strategischen Grenze geworden. Der Besuch in Constanța wird Gelegenheit bieten, die sicherheitspolitischen Herausforderungen des Kriegs in der Ukraine besser zu verstehen und die Wiederaufbauarbeiten entsprechend zu planen.
Auf dem Besuchsprogramm von Bundesrat Ignazio Cassis stehen auch verschiedene bilaterale Treffen. Welche Gesprächsthemen stehen im Vordergrund?
Neben multilateralen Angelegenheiten sowie Fragen der Sicherheit und der regionalen Zusammenarbeit bietet das geplante Treffen mit dem Ministerpräsidenten und dem Aussenminister Gelegenheit für einen Austausch über unsere Positionen innerhalb von Europa. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem zweiten Beitrag an Rumänien, der im Rahmen des Schweizer Beitrags an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten geleistet wird. Beim Treffen mit dem Finanzminister, der für die Koordination der elf Kooperationsprogramme der Schweiz zuständig ist, wird dieser Aspekt noch vertieft.
Der Bundesrat wird auch Kooperationsabkommen zwischen der Schweiz und Rumänien unterzeichnen. Um welche Abkommen geht es da?
Der Besuch von Bunderat Ignazio Cassis dient auch dazu, die Durchführungsabkommen von einigen dieser Programme zu unterzeichnen. Rumänien ist mit 221,5 Millionen Franken das zweitgrösste Empfängerland des Schweizer Beitrags an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten. Unsere Kooperationsprogramme befassen sich mit einer Reihe von Themen, die für die Schweiz und Rumänien besonders wichtig sind, darunter die duale Ausbildung, die Finanzierung von KMU, Energieeffizienz, soziale Eingliederung oder Forschung und Innovation. Mit der Durchführung dieser Programme beginnt für uns die letzte operative Phase der Zusammenarbeit, die bis 2029 abgeschlossen sein muss.
Die Emna rumantscha in Kürze
Dieses Jahr findet die fünfte internationale Woche der rätoromanischen Sprache (Emna rumantscha) statt. Die Emna rumantscha geht auf eine Idee von Bundesrat Ignazio Cassis anlässlich der Feier zum 100-jährigen Bestehen der Lia Rumantscha in Zuoz zurück. Anschliessend wurde sie vom EDA in Zusammenarbeit mit dem Kanton Graubünden und der Lia Rumantscha umgesetzt. Sie findet immer in der Woche vom 20. Februar statt, dem Tag, an dem das Rätoromanische 1938 offiziell zur vierten Landessprache erklärt wurde.
Die Emna rumantscha zeigt, welche Bedeutung die Mehrsprachigkeit nicht nur für den nationalen Zusammenhalt, sondern auch für die Aussenpolitik der Schweiz hat. Die Vielfalt der Schweiz wird weltweit geschätzt. Die Förderung von Minderheitensprachen und damit auch von kulturellen Minderheiten ist für den Aufbau einer nachhaltigen dialogfähigen Gesellschaft zentral.
Links
- Medienmitteilung: Kooperationsabkommen und Minderheiten: offizieller Besuch von Bundesrat Ignazio Cassis in Rumänien, 18.02.2025
- Rede von Bundesrat Ignazio Cassis: «Svizzera-Romania: la musica delle lingue», Bukarest, 20.02.2025
- Rede von Bundesrat Ignazio Cassis: «Ensemble dans la diversité», Constanta, 21.02.2025