«Das Volk lag absolut richtig»
Gemeinsam mit dem ausländischen diplomatischen Corps würdigte Bundespräsident Ignazio Cassis am 10. September 2022 die 20-jährige UNO-Mitgliedschaft der Schweiz: Als Symbol für einen starken Multilateralismus und als Hommage an das internationale Genf hat Cassis im Swissminiatur in Melide (TI) ein Modell des Palais des Nations eingeweiht. Was die Schweiz bisher erreicht hat, Stimmen von damals zum Beitritt und neue Herausforderungen in einer Zeit der Krisen.
«Heute ist ein besonderer Tag. Es ist genau zwanzig Jahre her, dass die Schweiz Mitglied der Vereinten Nationen wurde», sagte Bundespräsident Ignazio Cassis auf dessen Einladung sich das ausländische diplomatische Corps in der Schweiz anlässlich dieses Jubiläums zusammenfand. Ignazio Cassis führte die rund 100 Diplomatinnen und Diplomaten aus aller Welt nach Melide ins Swissminiatur. An zentraler Stelle im Park weihte der Bundespräsident im Beisein der Generaldirektorin des Büros der Vereinten Nationen in Genf, Tatiana Valovaya, ein Modell des Palais des Nations ein – der europäische Hauptsitz der UNO.
Das Modell des Palais des Nations im Swissminiatur verkörpert die internationale Relevanz des Multilateralismus – besonders in einer Zeit der Krisen, in welcher die Weltgemeinschaft zusammenhalten muss. «Unus pro omnibus, omnes pro uno» (lat. «Einer für alle, alle für einen») steht auf der Kuppel des Bundeshauses in Bern geschrieben. Dies ist somit ein inoffzielles Motto der Schweiz. «Es spiegelt die humanitäre Tradition der Schweiz wider, aber auch das Ziel der Vereinten Nationen, einen wirksamen Multilateralismus zu schaffen», sagte der Bundespräsident in Melide.
Was hat die Schweiz in den 20 Jahren erreicht?
Die Schweiz ist das einzige Land, das der UNO per Volksabstimmung beigetreten ist. «Die Bilanz über die letzten 20 Jahre zeigt, dass das Volk richtiglag! Die Schweiz kann auf eine Reihe von wichtigen Erfolgen in der UNO zurückblicken», betonte der Bundespräsident vor dem diplomatischen Corps. Zu diesen Erfolgen gehört unter anderem die Schaffung des Menschenrechtsrats im Jahr 2006, an welcher die Schweiz massgeblich beteiligt war.
Der Rat konnte seither in verschiedenen Situationen wichtige Akzente setzen. So hielt der Rat in den letzten zwei Jahren verschiedene Sondersitzungen und/oder Dringlichkeitsdebatten ab, unter anderem zu Myanmar, Afghanistan, Sudan und Ukraine. Er hat auch massgeblich zur Schaffung eines Rechts auf eine gesunde Umwelt beigetragen.
Eine treibende Kraft hinter der Agenda 2030
Ein anderes Beispiel ist das Ausarbeiten der Agenda 2030 mit den 17 nachhaltigen Entwicklungszielen, wobei die Schweiz eine der treibenden Kräfte war. Die Agenda ist das Rahmenwerk für die Lösung der grossen Herausforderungen der Welt, wie extreme Armut, Klimawandel, Umweltzerstörung, Ernährungssicherheit oder Gesundheitskrisen. Alle 193 UNO-Mitgliedstaaten haben die Agenda im Jahr 2015 verabschiedet und sich bereit erklärt die Ziele bis 2030 gemeinsam zu erreichen.
Die Welt steht vor immer komplexeren Herausforderungen, für die wissenschaftliche und intellektuelle Schlagkraft erforderlich ist. Die Schweiz, die als eines der innovativsten Länder der Welt gilt und Hochschulen von Weltruf beherbergt, bietet einen besonders fruchtbaren Boden für die Experten von heute und morgen, um Lösungen zu erarbeiten. Leider erschweren der Krieg in der Ukraine und Covid-19 die Umsetzung der Ziele. Damit diese doch erreicht werden können, braucht es nun grosse Anstrengungen der Weltgemeinschaft, wofür sich die Schweiz in der UNO tatkräftig engagiert. Mitte Juli 2022 hat die Schweiz in ihrem Länderbericht Bilanz zur ihrer innenpolitischen Umsetzung der Ziele gezogen. Gemäss Jacques Ducrest, Delegierter des Bundes für die Agenda 2030, ist die Schweiz auf Kurs, müsse aber an Tempo zulegen.
«Politik im edelsten Sinne des Wortes»
«Der «Geist von Genf» ist nun auch am Luganersee zu spüren», sagte Ignazio Cassis in Melide. Denn das Modell im Swissminiatur steht auch für das internationale Genf. Neben New York, Wien und Nairobi ist die Schweizer Stadt einer der vier Hauptsitze der UNO. Allein 2019 fanden rund 3200 internationale Konferenzen und 4700 hochrangige Besuche im «Maschinenraum des internationalen Systems» an den Ufern des Lac Léman statt. Die Dichte an innovativen, wissenschaftlichen und internationalen Organisationen, Vertretungen und NGO macht die Stadt zu einem Ort des intensiven Austauschs und zu einem Zentrum der globalen Gouvernanz.
«In Genf wird Politik im edelsten Sinne des Wortes betrieben, nämlich um die alltäglichen Probleme der Menschen wie Migration, Arbeit, Menschenrechte oder Gesundheit zu lösen», unterstreicht Alt-Bundesrätin Ruth Dreifuss im Interview (siehe Video).
Schweizerinnen und Schweizer in der UNO
Mittlerweile arbeiten über 1000 Schweizerinnen und Schweizer für die UNO und bringen ihre Expertise ein. Knapp die Hälfte davon ist in den höheren und obersten Führungsebenen vertreten. Im Jahr 2010 bekleidete der ehemalige Vorsteher des EDA und des WBF das Amt des Präsidenten der UNO-Generalversammlung – formell das höchste Amt in den Vereinten Nationen. «Es war für mich eine Gelegenheit, meinen Mitbürgerinnen und Mitbürgern den Beweis zu erbringen, dass es für die Schweiz möglich ist, international viel mehr Verantwortung zu übernehmen, ohne unsere Grundwerte aufzugeben», erinnert sich der Alt-Bundesrat.
Ein starkes Zeichen für das Vertrauen in die Schweiz
In den 20 Jahren hat sich die Schweiz als glaubwürdige und solidarische Partnerin in der internationalen Gemeinschaft bewiesen. «Doch die grösste Aufgabe liegt noch vor uns: der Einsitz im UNO-Sicherheitsrat in den Jahren 2023-2024», sagte der Bundespräsident. Das Resultat der Wahl der Schweiz als nichtständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat am 9. Juni 2022 ist ein starkes Zeichen für die Unterstützung und das Vertrauen, welches die Weltgemeinschaft ihr entgegenbringt. Die Schweiz will sich im Rat insbesondere für nachhaltigen Frieden, den Schutz der Zivilbevölkerung, mehr Effizienz und Klimasicherheit einsetzen.
Die Schweiz und die UNO
Die in der Bundesverfassung verankerten aussenpolitischen Ziele der Schweiz und diejenigen der UNO sind deckungsgleich: Frieden und Sicherheit auf der Welt, Achtung der Menschenrechte, Linderung von Not und Armut und eine nachhaltige Entwicklung. Diese globalen Herausforderungen kann ein Staat nicht alleine angehen, geschweige denn lösen. Vor diesem Hintergrund ermöglicht die UNO als Plattform der internationalen Staatengemeinschaft den Dialog, die Entwicklung neuer Ideen und das Setzen von Standards. In der UNO vertritt die Schweiz ihre Interessen und übernimmt Verantwortung.
In Anbetracht der Zeitenwende mit Krieg in Europa und den Folgen der Covid-Pandemie setzt sich die Schweiz für einen Multilateralismus ein, der seine Kräfte auf die grossen Fragen wie Krieg, extreme Armut, Energieversorgung oder Weltwirtschaftskrisen fokussiert. Dazu braucht es im Rahmen der UNO entschiedenes multilaterales Handeln, verbindlich akzeptierte Regeln und Reformen, damit die aktuellen Herausfordeungen angegangen werden können.