Krieg statt Schule

222 Millionen Kinder und Jugendliche rund um den Globus sind von gewalttätigen Konflikten und humanitären Krisen betroffen. Die Schweiz setzt sich im UNO-Sicherheitsrat, aber auch in anderen Gremien und mit ihrer internationalen Zusammenarbeit für den Schutz dieser Kinder ein. Das Beispiel von syrischen Flüchtlingskindern in Jordanien und dem Libanon zeigt, wie die Schweiz den Zugang zu Bildung, einem zentralen Pfeiler für nachhaligen Frieden und Entwicklung, wiederherstellt.

Ein jemenitischer Junge steht zwischen Erwachsenen, die Gewehre vor sich halten.

Über 11 Millionen Kinder und Jugendliche in Jemen leiden unter den Folgen des achtjährigen Konfliktes. © Keystone

Der UNO-Sicherheitsrat hat sich am 13. Februar 2023 mit dem Thema Kinder in Konfliktregionen befasst. Gewalttätige Konflikte haben weltweit katastrophale Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche. Sie werden ihrer Zukunftsperspektiven beraubt. «Dieser Rat hat zahlreiche Instrumente entwickelt, um schwere Verstösse zu verhindern. Damit sie ihre abschreckende Wirkung behalten, müssen ihre Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Glaubwürdigkeit erhalten bleiben», sagte die Schweizer UNO-Botschafterin Pascale Baeriswyl im Sicherheitsrat in New York. 

Drei Handlungsachsen der Schweiz im UNO-Sicherheitsrat

Die Thematik Kinder in bewaffneten Konflikten steht eng im Zusammenhang mit den Schweizer Prioritäten «Zivilbevölkerung schützen» und «nachhaltigen Frieden fördern» im UNO-Sicherheitsrat. Im Rat setzt sich die Schweiz für drei Handlungsdimensionen, um die Folgen von Konflikten für Kinder abzufedern: 

Schutz der Zivilbevölkerung

Insbesondere engagiert sich die Schweiz dafür, dass Kinder in Konflikten besser geschützt werden. Zu diesem Zweck setzt sie sich für einen starken und konkreten jährlichen Bericht des UNO-Generalsekretärs über Kinder, die von bewaffneten Konflikten betroffen sind, ein. Der Bericht ist ein wichtiges Instrument der Rechenschaft. Er ermöglicht die Auflistung von Konfliktparteien, die schwere Verstösse gegen das Wohl von Kindern begangen haben. Dazu zählen Rekrutiering, Entführung, Tötung und Verstümmelung, Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt. Der UNO-Sicherheitsrat ersucht jeweils die im Bericht aufgelisteten Konfliktparteien Massnahmen zur Beendigung der Verstösse gegen Kinder zu erarbeiten und umzusetzen. Auch Angriffe auf Schulen und Spitäler sowie die Verweigerung des humanitären Zugangs sind vom Sicherheitsrat als sogenannte «schwere Verstösse» definiert worden. 

Frieden

Damit nachhaltiger Frieden eine Chance hat, müssen Kinder nach ihrer Beteiligung an einem bewaffneten Konflikt wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden. Für den Übergang in ein ziviles Leben sind für die betroffenen Kinder neben einem sicheren Ort zum Leben, psychosoziale Unterstützung sowie Bildungs- und Berufsmöglichkeiten zentral. Die Schweiz setzt sich im Sicherheitsrat für Rahmenbedingungen ein, die solche Angebote für Kinder und Jugendliche nach dem Verlassen von Streitkräften und bewaffnenten Gruppierungen ermöglichen. Solche Möglichkeiten sind nicht nur von grundlegender Bedeutung für die Verwirklichung der Rechte dieser Kinder, sondern auch für den sozialen Zusammenhalt, den Aufbau von gerechteren und inklusiveren Gesellschaften und letztlich für Demokratie und Wohlstand.  

Nachhaltige Entwicklung

Ohne Bildung, keine nachhaltige Entwicklung. Die Schweiz engagiert sich im UNO-Sicherheitsrat und darüber hinaus auch dafür, dass Kinder und Jugendliche trotz Konflikten Zugang zu Bildung erhalten. Dank Bildung können Kinder, ihr volles Potenzial entfalten, ihre Fähigkeiten entwickeln und sie bietet ihnen Schutz, um ein Gefühl von Normalität und Sicherheit wiederherzustellen. Ausserdem gibt es Hinweise darauf, dass Bildung Kinder davon abhält, sich bewaffneten Gruppen anzuschliessen. Somit ist Bildung eines der besten Instrumente, um in Frieden, Stabilität und Wirtschaftswachstum zu investieren. Ein geschwächtes Bildungsystem wirkt sich auf die gesamte Entwicklung eines Landes aus, einschliesslich der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Entwicklung. 

Aufgrund ihrer besonderen Verletzlichkeit nimmt der Schutz von Kindern im Engagement der Abteilung Frieden und Menschenrechte für den Schutz der Zivilbevölkerung eine besondere Rolle ein.
Botschafter Simon Geissbühler, Chef der Abteilung Frieden und Menschenrechte (AFM) im EDA
Nahaufnahme von Botschafter Simon Geissbühler
Simon Geissbühler, Chef der Abteilung Frieden und Menschenrechte © EDA

«Aufgrund ihrer besonderen Verletzlichkeit nimmt der Schutz von Kindern im Engagement der Abteilung Frieden und Menschenrechte im EDA für den Schutz der Zivilbevölkerung eine besondere Rolle ein. So setzen wir uns dafür ein, dass das Völkerrecht und die Menschenrechte eingehalten und die entsprechenden internationalen Instrumente gestärkt werden. Indem wir uns ausserdem dafür engagieren, dass Kinder Zugang zu Bildung haben und nach einem Konflikt wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden, leisten wir einen wichtigen Beitrag zu dauerhaftem Frieden und Wohlstand», sagt Botschafter Simon Geissbühler, Chef der Abteilung Frieden und Menschenrechte im EDA.

UNO-Sicherheitsrat überprüft regelmässig Verstösse gegen Kinder in bewaffneten Konflikten

Seit 2015 herrscht im Jemen ein bewaffneter Konflikt. Allein im Jahr 2022 hat das Monitoring und Reportingsystem der Vereinten Nationen 2748 schwere Verstösse gegen 800 Kinder im Land überprüft und dokumentiert. Dazu zählen Verstösse gegen Kinder, die getötet oder verstümmelt wurden oder die rekrutiert und entweder in Kampfhandlungen oder in unterstützenden Funktionen eingesetzt wurden. Die Schweiz untersützt diesen Reportingmechanismus, denn er stärkt die Rechenschaftspflicht für schwere Kinderrechtsverletzungen auf der ganzen Welt.

Das Monitoring und Reportingsystem geht auf eine Resolution des Sicherheitsrats aus dem Jahr 2005 zurück. Dieser Mechanismus dokumentiert die sechs schwerwiegenden Verstösse, die in bewaffneten Konflikten von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren an Kindern verübt werden. Die Arbeitsgruppe des Sicherheitsrats für Kinder und bewaffnete Konflikte prüft die Berichte des Mechanismus regelmässig und gibt Empfehlungen für mögliche Massnahmen zum besseren Schutz von Kindern.

Neue Schulen für syrische Flüchtlingskinder in Jordanien

Die Schweiz fördert mit ihrer internationalen Zusammenarbeit den Zugang zu Bildung in Notsituationen – so zum Beispiel für syrische Flüchtlingskinder in Jordanien oder im Libanon. Seit dem Ausbruch des Kriegs 2011 sind Hunderttausende Kinder vor den Gräueln des Kriegs in die syrischen Nachbarländer geflohen. Dies führt zu einer enormen Mehrbelastung der lokalen Infrastruktur. Dazu zählt auch das Schulsystem, weil die syrischen Kinder in ihren Aufnahmeländern die öffentliche Schule besuchen. Die Schweiz verbessert vor Ort die Aufnahmekapazitäten der Schulen, indem sie Schulgebäude saniert. Bis jetzt hat die Schweiz in Jordanien und dem Libanon 171 Schulen saniert, von welchen 110’000 einheimische und syrische Schülerinnen und Schüler profitieren.

Schulkinder stehen auf dem Platz vor einer sanierten Schule in Jordanien.
Die Eröffnung einer von der Schweiz sanierten Schule im jordanischen Sahab. © DEZA

Die Schweiz ermöglicht somit den geflohenen syrischen Kindern und Jugendlichen, dass sie ihre Schulbildung fortsetzen und psychosoziale Betreuungsangebote in Anspruch nehmen können. Dadurch erhalten sie die Chance, ihre Kriegstraumas zu verarbeiten und sich in die Gesellschaft zu integrieren. Zu Beginn einer Krise ist der Zugang zu Bildung im Rahmen schneller humanitärer Reaktionen unerlässlich. Bildung stärkt aber auch langfristig die Widerstandsfähigkeit und die Perspektiven von Kindern und Jugendlichen. Deswegen ist Bildung als Investition für nachhaltigen Frieden und Entwicklung besonders wichtig. 

Konferenz in Genf: Bessere Bildungsmöglichkeiten für 20 Millionen Kinder auf der ganzen Welt

Am 16. und 17. Februar 2023 organisiert die Schweiz gemeinsam mit dem UNO-Fonds «Education Cannot Wait» in Genf eine hochrangige Finanzierungskonferenz. Sie bringt führende Persönlichkeiten – darunter Bundesrat Ignazio Cassis – aus zivilen, staatlichen und privaten Institutionen zusammen, um Bildung für Kinder in Notsituationen und Krisen zu finanzieren. Ziel ist es Mittel in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar zu mobilisieren, um 20 Millionen Kinder und Jugendliche zu erreichen, die von den schlimmsten humanitären Krisen der Welt betroffen sind.

Education Cannot Wait – Hochrangige Finanzierungskonferenz (en)

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