Haltung der Schweiz zu den Protesten im Iran

Seit Mitte September 2022 setzen sich Tausende von Menschen auf den Strassen iranischer Städte für Frauenrechte und freie Meinungsäusserung ein und demonstrieren gegen die aktuelle Regierung in Teheran. Die iranischen Behörden haben auf die Proteste mit Gewalt reagiert. Die Schweiz verurteilt diese Reaktion und setzt sich auf bilateraler und multilateraler Ebene für die Achtung der Menschenrechte und eine Deeskalation ein. Eine Chronologie und Antworten zur Haltung der Schweiz.

07.01.2023
EDA

Der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini löste Mitte September 2022 weitgreifende Proteste der iranischen Bevölkerung aus. Die Menschenrechtslage im Iran ist prekär für die Demonstrierenden: Hunderte Menschen kamen während der Proteste ums Leben und über 15'000 wurden festgenommen. Anfang Dezember kam es zu den ersten Hinrichtungen von Demonstrierenden.

Der Einsatz gegen die Todesstrafe und gegen Folter und für die Meinungsäusserungsfreiheit sind Prioritäten der Schweizer Menschenrechtsdiplomatie. Die Schweiz verurteilt entsprechend die Menschenrechtsverletzungen im Iran. Dazu zählen auch die übermassige Gewaltanwendung durch Sicherheitskräfte, die grossflächigen Einschränkungen des Internetzugangs und die Hinrichtungen im Rahmen der Proteste.

Sie ist regelmässig mit den iranischen Behörden in Kontakt und nutzt jede Gelegenheit, um sich gegen die Todesstrafe, für die Achtung der Menschenrechte und gegen die Anwendung von Gewalt einzusetzen.

Einsatz der Schweiz auf zwischenstaatlicher Ebene

September 2022

Am 20. September 2022, nur vier Tage nach dem Tod von Mahsa Amini, traf Bundespräsident Ignazio Cassis den iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi im Rahmen der UNO-Generalversammlung in New York. Der Bundespräsident brachte dabei seine Besorgnis über die Lage im Iran zum Ausdruck.

Oktober 2022

Am 5. Oktober veröffentlichte die Schweiz auf Twitter ihre Position zur Situation im Iran, die sie seit Mitte September bei allen bilateralen Treffen und in multilateralen Gremien vertritt.

Am 26. September und am 18. Oktober hat die Schweiz den iranischen Geschäftsträger in Bern einbestellt und den Iran aufgefordert, gegenüber den Demonstrierenden Zurückhaltung zu üben und die Internetrestriktionen aufzuheben. Zur gleichen Zeit brachte die Schweizer Botschafterin in Iran den Fall von Mahsa Amini vor dem Vorsitzenden des Hohen Rates für Menschenrechte des iranischen Justizministeriums zur Sprache.

Dezember 2022

Die Schweiz hat Anfang Dezember die erste Hinrichtung eines Demonstranten umgehend öffentlich verurteilt.

Übersetzung des Tweet

Stellungnahme

Die Schweiz verurteilt die heutige Hinrichtung im Iran im Zusammenhang mit den Demonstrationen sowie die öffentliche Hinrichtung, die gestern von den Taliban in Afghanistan vollzogen wurde, aufs Schärfste. Die Schweiz lehnt die Todesstrafe unter allen Umständen ab und setzt sich für ihre weltweite Abschaffung ein.

Am 13. Dezember hat die Schweiz erneut beim iranischen Geschäftsträger in Bern und im iranischen Aussenministerium in Teheran interveniert. Dabei hat sie die jüngsten Hinrichtungen im Zusammenhang mit den Protesten scharf verurteilt und die iranischen Behörden aufgefordert, die Situation zu deeskalieren und die Hinrichtungen sofort einzustellen.

Am 23. Dezember 2022 forderte der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten EDA, Bundespräsident Ignazio Cassis, den iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi persönlich dazu auf sicherzustellen, dass Iran seine internationalen Verpflichtungen einhält und die Hinrichtungen sofort einstellt.

Januar 2023

Anfang Januar 2023 wurden in Iran zwei weitere Personen hingerichtet. Das EDA verurteilte die Hinrichtungen in einem Tweet.

Einsatz der Schweiz auf multilateraler Ebene

Bereits am 26. September 2022 forderte die Schweiz im UNO-Menschenrechtsrat eine schnelle, unparteiische und unabhängige Untersuchung des Falls von Mahsa Amini.

Ähnlich erklärte sich die Schweiz auch am 26. Oktober im Ausschuss für soziale, humanitäre und kulturelle Fragen der UNO-Generalversammlung. Sie verurteilte bei dieser Gelegenheit öffentlich die gewaltsame Reaktion Irans auf die zivilen Proteste.

Die Schweiz unterstützte zudem eine Resolution des Menschenrechtsrats, die am 24. November an einer Sondersitzung zum Iran verabschiedet wurde. Die Resolution sieht die Einrichtung einer Fact-Finding-Mission vor, um die Beweise für Menschrechtsverletzungen zu dokumentieren und zu sichern.

Fragen und Antworten

Was unternimmt die Schweiz vor Ort für die Menschenrechtslage?

Die Schweiz setzt bei ihrer Menschenrechtsarbeit in Iran auf die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen. Konkret unterstützt die Schweiz Projekte von UNICEF und des Hochkommissariats für Menschenrechte im Bereich der Jugendjustiz in Iran.

Diese zielen unter anderem darauf ab, den Zugang zur Justiz für Minderjährige, einschliesslich Mädchen, zu verbessern und ein Moratorium für die Hinrichtung von Personen zu erreichen, die zum Zeitpunkt der Tat minderjährig waren.

Die Schweizer Botschaft in Teheran unterstützt zudem Projekte von NGOs in den Bereichen Entwicklung, humanitäre Hilfe und menschliche Sicherheit, die der Bevölkerung in Iran zugutekommen.

Auf politischer Ebene führt die Schweiz einen Menschrechtsdialog mit Iran. Sind die iranischen Behörden interessiert in der aktuellen Situation diesen Dialog fortzuführen?

Menschenrechtsfragen stehen regelmässig auf der Tagesordnung hochrangiger bilateraler Treffen zwischen der Schweiz und Iran. Die Schweiz führt auch einen offiziellen Menschenrechtsdialog mit dem Iran. Der nächste ist für Anfang 2023 geplant.

Der Iran hat Interesse geäussert, den Menschenrechtsdialog fortzusetzen. Im gegenwärtigen Kontext ist die Schweiz der Ansicht, dass es sich lohnt, alle ihr zur Verfügung stehenden Kommunikationskanäle zu nutzen, um ihre Position und ihr Engagement für die Achtung der Menschenrechte gegenüber den iranischen Behörden zu verdeutlichen.

Warum übernimmt die Schweiz nicht alle Sanktionen, die die EU gegen den Iran verhängt hat?

Iran ist heute eines der meist sanktionierten Länder der Welt. Die Schweiz trägt alle UNO-Sanktionen und die meisten EU-Sanktionen seit Jahren mit. Diese Sanktionen richten sich auch gegen Einzelpersonen. Jüngst hat die Schweiz auch die EU-Sanktionen im Zusammenhang mit der Lieferung iranischer Drohnen an Russland übernommen.

Für die Sanktionspolitik ist in der Schweiz das WBF zuständig. Bei der Frage, ob die Schweiz neue Sanktionen gegen Iran übernimmt, werden immer alle innen- und aussenpolitischen Interessen miteinbezogen, darunter auch die Guten Dienste der Schweiz in Iran. Die Schweiz will bestehende Kommunikationskanäle offen halten und den kritischen Dialog mit der iranischen Regierung weiterführen und ihre Forderungen in Bezug auf die Menschenrechtslage wie auch andere Themen direkt einbringen.

Was bedeuten die Schutzmachtmandate der Schweiz im Iran?

Die Schweiz hat im Zusammenhang mit Iran insgesamt fünf Schutzmachtmandate inne, darunter seit über 40 Jahren jenes für die USA. Die Schweiz stellt mit ihnen einen vertraulichen Kanal zur Verfügung, sodass zwei Staaten, die keinerlei diplomatische Beziehungen haben, miteinander kommunizieren können. Dies kann entscheidend sein, um eine Eskalation zwischen den Ländern oder in der Region zu verhindern. Zusätzlich stellt die Schweiz den konsularischen Schutz für den Mandatsträger, z.B. für US-Bürger in Iran sicher. Sie handelt dabei ausschliesslich im Auftrag ihrer Mandanten.

Die Schutzmachtmandate stellen einen Vertrauensbeweis für unser Land dar. Zudem eröffnen sie der Schweiz einen regelmässigen Zugang zu hochrangigen Vertreterinnen und Vertreter dieser Länder, die dank des vorhandenen Vertrauens auch für andere Zwecke genutzt werden können – beispielsweise, um die Situation im Bereich der Menschenrechte zu thematisieren. Aus Gründen der Diskretion kann die Schweiz keine Informationen über ihre Aktivitäten und ihre Erfolge im Zusammenhang mit den Guten Dienste geben.

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