Vertreterinnen und Vertreter der Schweiz in der Welt vernetzen sich in Bern
Vom 21. bis 24. August 2023 finden in Bern die Konferenz der Schweizer Botschafterinnen und Botschafter sowie das alle vier Jahre stattfindende Treffen der Honorarkonsulinnen und Honorarkonsuln statt. Rund 240 Teilnehmende diskutieren über die Anpassungen, welche die Schweiz in ihrer aussenpolitischen Strategie vornehmen muss, um den globalen Herausforderungen gerecht zu werden. Worum geht es konkret? Botschafterin Alexandra Baumann, die für die Organisation der Konferenz verantwortlich ist, gewährt uns einen Blick hinter die Kulissen.
Die Schweiz ist mit rund 170 Vertretungen weltweit präsent. © EDA
Die Aussenpolitik wird in Bern vom Bundesrat zusammen mit der Bevölkerung festgelegt und von den Schweizer Auslandvertretungen umgesetzt. So könnte man die Rolle der diplomatischen Vertreterinnen und Vertreter der Schweiz im Ausland kurz zusammenfassen. Unsere Diplomatinnen und Diplomaten sind weltweit in rund 170 Vertretungen im Einsatz und setzen sich dort für die Interessen der Schweiz ein. Gleichzeitig sind sie sozusagen die Augen und Ohren der Schweiz vor Ort. «Die Konferenz dient dazu, die in Bern ausgearbeiteten Positionen mit den Realitäten und Wahrnehmungen im Ausland abzugleichen. Deshalb ist es wichtig, dass der Austausch über aktuelle aussenpolitische Herausforderungen mit dem gesamten Aussennetz stattfindet und dem Wissen und den Erfahrungen unserer Botschafterinnen und Botschafter aus aller Welt Rechnung getragen wird», erklärt Alexandra Baumann, Verantwortliche für die Organisation der Konferenz. Baumann ist Chefin der Abteilung Wohlstand und Nachhaltigkeit des EDA und Leiterin der Interdepartementalen Arbeitsgruppe für den Wiederaufbau der Ukraine.
Gerade die Ukraine sei ein gutes Beispiel. «Im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine werden die Positionen der Schweiz von unseren aussenpolitischen Partnern nicht immer verstanden. Das Aussennetz beobachtet gewissermassen, wie sich die Wahrnehmung und das Image der Schweiz verändern.» Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Positionen der Schweiz verstanden und glaubwürdig vertreten werden und dass die Diplomatinnen und Diplomaten der nationalen Politik den Puls fühlen. Nicht zufällig reden wir von einem «Netz»: Die Vertretungen des EDA sind untereinander vernetzt, und die jährliche Konferenz ermöglicht es, die Verbundenheit mit Bern zu pflegen, zumal hier gerade die aussenpolitische Strategie für die kommenden Jahre ausgearbeitet wird.
Das Wissen aus aller Welt fliesst in die neue aussenpolitische Strategie ein
Das Motto der diesjährigen Konferenz lautet «Interessenwahrung unter veränderten Vorzeichen». Es beinhaltet den Wandel und fordert innovative Lösungen. Mit der Covid-19-Pandemie und dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sind in kurzer Zeit zwei Ereignisse mit weitreichenden globalen Auswirkungen eingetreten. Ausserdem hat sich die geopolitische Ausgangslage in der Welt verändert, mit einem starken Wettbewerb zwischen den Grossmächten. «An der Konferenz wird darüber diskutiert, welche Anpassungen die Schweiz in ihrer aussenpolitischen Strategie, ihren Zielen und Prioritäten vornehmen muss, um diesem veränderten Umfeld gerecht zu werden», erklärt Alexandra Baumann.
Das EDA ist daran, die aussenpolitische Strategie für den Zeitraum 2024–2027 zu definieren. Die neue Strategie ist ein Schwerpunktthema der diesjährigen Konferenz. «Die Botschafterinnen und Botschafter haben während der Ausarbeitungsphase inhaltlich dazu beigetragen. Jetzt liegt der Entwurf vor, und die Konferenz ist eine gute Gelegenheit, den Text zu finalisieren», betont Alexandra Baumann.
Weitere Themen sind der Krieg gegen die Ukraine und seine Folgen für die Schweiz, die Europapolitik und der Einsitz der Schweiz im UNO-Sicherheitsrat. Unter dem Titel «Mehrwert der Schweiz» ist zudem ein halber Tag der Wirtschaft gewidmet. «In Zusammenarbeit mit Economiesuisse haben wir Besuche bei verschiedenen Unternehmen organisiert mit dem Ziel, die Kontakte zwischen dem Aussennetz und dem Privatsektor zu stärken. Darüber hinaus soll das Aussennetz für die aktuellen Herausforderungen der Unternehmen sensibilisiert werden», so Baumann weiter.
Auf dem Programm stehen schliesslich auch regionale Workshops – Europäische Union, Eurasien, Naher Osten und Nordafrika, Subsahara-Afrika, Amerikas, Asien und Pazifik. Diese haben für die Teilnehmenden einen hohen Stellenwert.
Regionale Workshops: zum Beispiel Region Mittlerer Osten und Nordafrika (MENA)
Die Konferenz ist kein Entscheidungsgremium, das Beschlüsse fasst. Sie kann hingegen Impulse für neue Strategien und Projekte geben. So wurden 2022 in einem Workshop die Ziele, Prioritäten und Inhalte der im Februar 2023 vom Bundesrat verabschiedeten Strategie Südostasien festgelegt und 2020 die Leitlinien für die im letzten Jahr verabschiedete Amerikas-Strategie erarbeitet.
Die Workshops zu den einzelnen Regionen sind in der Tat wichtige Programmpunkte. Die Botschafterinnen und Botschafter aus der jeweiligen Region haben dabei die Gelegenheit, über spezifische Themen zu sprechen, die sie direkt betreffen. Beim MENA-Workshop stehen die Auswirkungen wechselnder Allianzen und neuer Konfliktlinien in der Region auf das Engagement der Schweiz im Mittelpunkt. Konflikte werden zunehmend unabhängig gelöst oder die Staaten der Region wenden sich zur Vermittlung an neue Partner, wie zum Beispiel an China. «Der Workshop geht der Frage nach, was diese Veränderungen für die Guten Dienste und Schutzmandate der Schweiz bedeuten und wie sich die Schweiz positionieren muss, um der Region weiterhin einen friedenspolitischen Mehrwert bieten zu können», erklärt Alexandra Baumann.
Von Bern zurück in die Welt: und dann?
Die Konferenz der Botschafterinnen und Botschafter hat nicht den Anspruch, alle Themen abschliessend zu behandeln, so dass keine weiteren Treffen mehr nötig wären. Und es geht auch nicht nur allein ums EDA. Tatsächlich ist jedes Jahr der gesamte Bundesrat beteiligt. «Es ist wichtig, dass das Aussennetz die Prioritäten und Erwartungen in den Zuständigkeitsbereichen aller Mitglieder des Bundesrates kennt», sagt Alexandra Baumann. Deshalb ist das Follow-up nach der Konferenz besonders wichtig. «Zu jedem Workshop gibt es einen Bericht mit den wichtigsten Ergebnissen. Das Follow-up erfolgt durch die zuständigen Organisationseinheiten. Die Ergebnisse der letztjährigen Konferenz flossen zum Beispiel in die Vorbereitungen für den Einsitz der Schweiz als nichtständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat ein», erklärt Alexandra Baumann weiter.
Die Kontinuität bei der Bearbeitung der verschiedenen Themen wird durch einen regelmässigen formellen und informellen Austausch zwischen der Zentrale und dem Aussennetz sichergestellt: Dabei handelt es sich um «Town halls» zwischen der Staatssekretärin bzw. dem Staatssekretär und dem Aussennetz oder regionale Konferenzen sowie jährliche Konsultationsbesuche von Botschafterinnen und Botschaftern in der Schweiz. Das Networking geht also weiter – in Erwartung der Konferenz 2024.
Die Konferenz seit 1887
Die Konferenz der Botschafterinnen und Botschafter geht auf das Jahr 1887 zurück. Damals regte Bundespräsident Numa Droz ein Treffen an mit den damaligen fünf Missionschefs in Paris, Wien, Rom, Berlin und Washington. Diese Idee für den Austausch über aktuelle Themen hat bis heute Bestand.
2011 entschied die damalige Bundesrätin Micheline Calmy-Rey, neben den Botschafterinnen und Botschaftern erstmals auch die Honorarkonsulinnen und Honorarkonsuln einzuladen. Seitdem findet das Treffen der Konsulinnen und Konsuln alle vier Jahre in Verbindung mit der Botschafterkonferenz statt.