Frauen in der Schweizer Diplomatie: von den Pionierinnen zur ersten Staatssekretärin

Anlässlich des Internationalen Tags der Frau werfen wir mit Sacha Zala, Historiker und Direktor des Forschungszentrums Dodis (Diplomatische Dokumente der Schweiz), einen Blick auf die Rolle und den Weg der Frauen in der Schweizer Diplomatie.

08.03.2023
EDA
Innenansicht des neuen «salle Francesca Pometta» im Bundeshaus West.

Porträts von Frauen, die erstmals als Botschafterin im Ausland oder als Direktorin in Bern tätig waren, sind in der neuen «salle Francesca Pometta» im Bundeshaus West ausgestellt. © EDA

Als die ersten Botschafterinnen ernannt wurden, bereitete dies der Bundesverwaltung einiges an Kopfzerbrechen: Wie sollte die Anrede lauten? Welchen Platz sollten sie bei offiziellen Empfängen bekommen? Zum ersten Mal stellten sich diese Fragen 1953, als die USA mit Frances Willis erstmals eine Frau an die Spitze ihrer Botschaft in Bern setzten. Willis war im Übrigen überhaupt die erste Botschafterin der USA. «Der Protokolldienst erkundigte sich schriftlich bei anderen europäischen Ländern über deren Vorgehen», erzählt Sacha Zala, Direktor des Forschungszentrums Dodis.

Trotz der Nachfrage bei den Nachbarstaaten war es kein einfacher Entscheid. Und die Mehrsprachigkeit der Schweiz brachte gewisse zusätzliche Schwierigkeiten mit sich. Letztlich einigte man sich auf Frau Botschafter, Madame l’Ambassadeur und Madam Ambassador. Für Frances Willis war zunächst auch die Anrede «Fräulein» Botschafter zur Diskussion gestanden. «Doch den Schweizer Diplomaten wurde klar, dass diese Anrede für Schmunzeln gesorgt hätte, zumal Willis einen Doktortitel hatte», berichtet der im Puschlav geborene Historiker. 

Pionierin Francesca Pometta

Sacha Zala, Leiter des Forschungszentrums Dodis - Diplomatische Dokumente der Schweiz, gibt mit einer Handbewegung Erklärungen ab.
Im Rahmen seiner Arbeit als Historiker und Leiter des Forschungszentrums Dodis - Diplomatische Dokumente der Schweiz hat sich der Historiker Sacha Zala mit der Geschichte der Frauen in der Schweizer Diplomatie befasst. © EDA

In der Schweiz hatten die Frauen ab 1955 Zugang zu einer diplomatischen Karriere. «Mit der Einführung eines Zulassungswettbewerbs änderte sich das Rekrutierungssystem für den diplomatischen Dienst in diesem Jahr grundlegend. Früher wurden Diplomaten aus den grossen Schweizer Familien rekrutiert», erklärt Sacha Zala. «Dadurch konnte jeder und jede, ob Mann, ob Frau, und egal aus welcher sozialen Schicht, sein oder ihr Glück versuchen und eine diplomatische Laufbahn anstreben.»

Francesca Pometta war 1957 die erste Schweizerin, die den Concours bestand. «Sie erwies sich als eine der besten ihrer Volée», so Sacha Zala. Sie stammte aus dem Tessin, wuchs aber in Genf auf. In der Familie wurde Italienisch gesprochen, sie sprach allerdings auch perfekt Französisch und ausgezeichnet Deutsch. Francesca Pometta wurde 1977 zur ersten Botschafterin der Schweiz ernannt. Von 1982 bis 1987 war sie Leiterin der Ständigen Beobachtermission der Schweiz bei den Vereinten Nationen in New York. Anschliessend war sie von 1987 bis 1991 Botschafterin in Rom. Zum Internationalen Tag der Frau wurde am 7. März 2023 in Anwesenheit von Bundesrat Ignazio Cassis ein Raum im Bundeshaus West nach ihr benannt (siehe unten). 

Lebensentscheid Diplomatin

Die 1926 geborene Francesca Pometta ist somit eine Pionierin der Schweizer Diplomatie. «Sie war in vielen Bereichen Vorreiterin, da sie immer die Erste war», scherzt Zala. Um sich in einem von Männern geprägten Umfeld Gehör zu verschaffen, musste sie immer ein bisschen bestimmter auftreten als ihre Kollegen. «Sie musste beweisen, dass auch eine Frau Chefin sein kann», erklärt Sacha Zala. 

Francesca Pometta steht neben dem damaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen, Javier Pérez de Cuéllar.
Die Vereinten Nationen ziehen sich wie ein roter Faden durch die berufliche Laufbahn von Francesca Pometta. Am 7. Juni 1982 traf sie in New York den damaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen, Javier Pérez de Cuéllar. © Silvia Reyroux

Für Frauen wie Francesca Pometta oder die zweite Schweizer Botschafterin, Marianne von Grünigen, war die Karriere als Diplomatin damals ein Lebensentscheid, da sie bis 1972 gezwungen waren, ihre diplomatische Karriere aufzugeben, wenn sie heirateten.

Aus den historischen Dokumenten geht zudem hervor, dass in den 1970er-Jahren in der Führungsebene des Departements, das damals Eidgenössisches Politisches Departement hiess, diskutiert wurde, ob Frauen für einen Posten in klimatisch oder sicherheitspolitisch «schwierigen» Ländern geeignet sind. «Für die Frauen der Botschafter, die in solchen Ländern im Einsatz waren, schien dies allerdings kein Problem darzustellen», sagt Sacha Zala mit einem Augenzwinkern und ergänzt: «Frauen waren schon immer Teil der Diplomatie, zunächst einfach als Ehefrau eines Botschafters oder als Sekretärin.»

Erste Staatssekretärin im Jahr 2016

Heute nimmt der Anteil der Frauen bei den Kaderstellen zu, doch sind die Männer nach wie vor in der Mehrheit. Knapp 27% der Schweizer Auslandvertretungen haben derzeit eine Frau an ihrer Spitze. Das Jahr 2016 war ein Meilenstein in der Geschichte der Frauen in der Schweizer Diplomatie, da in diesem Jahr Pascale Baeriswyl zur Staatssekretärin ernannt wurde und somit die erste Frau und Mutter auf einem solchen Posten war.

Ein Raum im Bundeshaus West zu Ehren von Francesca Pometta

Die Wände eines Raums im Bundeshaus West zeugen künftig von der Geschichte der Frauen in der Schweizer Diplomatie. Benannt wurde er nach Francesca Pometta, der ersten Frau, die in den diplomatischen Dienst trat, und der ersten Botschafterin der Schweiz (siehe oben). Am 7. März 2023 wurde die «Sala Francesca Pometta» anlässlich des Internationalen Tags der Frau in Anwesenheit von Bundesrat Ignazio Cassis offiziell eingeweiht.

Auf der linken Seite des Raums zeigt eine Infografik die Entwicklung des Anteils der Frauen an der Spitze der Schweizer Auslandsbotschaften von 1957 bis heute. Auf der anderen Seite hängen die Fotos der bisherigen ersten Botschafterinnen im Ausland sowie der ersten Direktorinnen in Bern. Mit dieser symbolischen Geste will das EDA die nachkommenden Generationen von Diplomatinnen ermutigen, ihren Weg weiterzuverfolgen. 

Die diplomatischen Dokumente der Schweiz

«Das Bundesarchiv liefert uns jedes Jahr Dokumentenstapel in der Höhe des Eiffelturms», so Sacha Zala, der Direktor des Forschungszentrums Dodis (Diplomatische Dokumente der Schweiz). Es ist also nicht übertrieben, zu sagen, dass er und seine Mitarbeitenden jedes Jahr Berge von Unterlagen zu bewältigen haben. Tatsächlich werden jährlich 1,5 Millionen Dokumente geprüft und rund 1500 davon ausgewählt. Das Team von Dodis hat Zugriff auf diejenigen Dokumente, die älter als 30 Jahre sind. Aktuell werden also die Bestände bis 1992 bearbeitet.

Die Suche nach historischen Spuren ist bei manchen Themen – insbesondere wenn es um die Geschichte der Frauen geht – komplizierter und zeitraubender als bei anderen. «Das Thema ‹Frauen› ist fast überall präsent, allerdings sehr verstreut. Da braucht es einen langen Atem», so Sacha Zala.

Eine Person blättert mit den Händen durch Dokumente, die sich in einer Schachtel befinden.
Die Auswahl relevanter Dokumente steht im Mittelpunkt der Arbeit von Dodis © EDA
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