Die Päpstliche Schweizergarde zwischen Geschichte und neuen Projekten

2020 werden es 100 Jahre sein, seit die Schweiz und der Vatikan wieder diplomatische Beziehungen aufgenommen haben. Ein wichtiges Bindeglied zwischen beiden Staaten war stets die Päpstliche Schweizergarde. Deren Kaserne soll renoviert werden, und die Schweiz wird das Projekt finanziell unterstützen. Das Bauprojekt gibt Gelegenheit, um auch auf die Geschichte der Garde zu blicken, die als kleinste Armee der Welt bekannt und mehrsprachig ist.

Ein Gardist marschiert an der Vereidigungsfeier. Zu seiner Linken und Rechten stehen die Kameraden Spalier.

Die Vereidigung der Schweizergardisten findet jeweils am 6. Mai statt, in Erinnerung an die Gardisten, die 1527 während der Plünderung Roms ihr Leben verloren haben. © Keystone

Visualisierung des Kasernenbaus mit Blick auf die neue Fassade.
Ein innovatives und ökologisch nachhaltiges Bauprojekt. In der neuen Gardekaserne können auch Familienangehörige der Gardisten untergebracht werden. © Kasernenstiftung

Die Päpstliche Schweizergarde war schon Thema zahlreicher Bücher, Ausstellungen, Dokumentarfilme und sogar eines Comics. Über die kleinste Armee der Welt und ihre Geschichte von ihren Anfängen bis heute gibt es viel zu erzählen und zu entdecken. Seit über 500 Jahren ist sie ein wichtiges Bindeglied zwischen der Schweiz und dem Vatikan. Die Kaserne der Garde wird nun renoviert. Der Bundesrat hat beschlossen, dass die Schweiz die Renovation mit 5 Mio. CHF unterstützt. Das Renovationsprojekt steht auch für eine Armee, die stark in der Vergangenheit verankert ist, sich zugleich wandelt und mit der Zeit geht.

Eine neue Kaserne, angepasst an die Bedürfnisse einer Armee, die sich wandelt

Die heutige Kaserne besteht aus Gebäuden aus dem 19. Jahrhundert. Sie müssen renoviert werden, da sie weder bei den Wohn- und Lebensbedingungen noch bezüglich Nachhaltigkeit und Ökologie den heutigen Standards entsprechen. Zudem hat Papst Franziskus entschieden, die Garde vn heute 110 Personen auf 135 Päpstliche Wachen zu vergrössern. «Am 2. Oktober 2020 wurde Papst Franziskus das Projekt für den Neubau der Kaserne vorgestellt, das von einer Schweizer Stiftung und den zuständigen Stellen des Vatikans gemeinsam erarbeitet wurde. Das Bauvorhaben wurde anschliessend offiziell bei Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin eingereicht, dem auch die Päpstliche Schweizergarde organisatorisch unterstellt ist. Die Bauarbeiten beginnen laut Plan 2023. Die Einweihung des Neubaus ist für den 6. Mai 2027 vorgesehen, zur Feier des 500-Jahr-Jubiläums der Plünderung Roms», erklärt Jean-Pierre Roth, Präsident der Stiftung für die Renovation der Kaserne der Päpstlichen Schweizergarde im Vatikan.

«Acriter et fideliter» - «Tapfer und treu»

Die Renovation der bestehenden Infrastruktur gibt Gelegenheit, um auf die Geschichte der Schweizergarde zurückzublicken. Seit 514 Jahren ist die Schweizergarde unter dem Motto «Acriter et fideliter» für den Schutz des Pontifex und seiner Residenz zuständig: 1506 kamen 150 Schweizer in den Vatikan und erhielten dort den Segen von Papst Julius II. Damit war die Päpstliche Schweizergarde offiziell gegründet.

Der künftige Kasernenbau, der von Schweizer Architekturbüros entworfen und geleitet wird, hebt den etwa 800 Meter langen, erhöhten Gang hervor. Der so genannte Passetto verbindet den Apostolischen Palast mit der Engelsburg. Bei Gefahr kann der Papst über diesen Weg ins Innere der Burg flüchten. Während der Plünderung Roms im Jahr 1527 zum Beispiel nutzte Papst Clemens VII. den Passetto. Die Schweizergarde beschützte den Papst, 147 Schweizergardisten liessen damals bei der Erfüllung ihres Auftrags ihr Leben.

Historisch und zeitgemäss: die kleinste Armee der Welt, erzählt in Bildern.

Auch eine Teilstrecke der Via francigena soll aufgewertet werden. Dieser Weg verbindet seit dem 11. Jahrhundert Canterbury mit Rom und dem Petersplatz. Fast 800 Kilometer davon haben 1506 die ersten Schweizergardisten zurückgelegt, um Rom von der Eidgenossenschaft aus zu erreichen.

Die Schweizergarde ist eine Armee, die stark in der Vergangenheit verwurzelt ist und sich zugleich dem Wandel anpasst. Die neue Kaserne ist Sinnbild für eine Armee, die mit der Zeit geht und die vier Landesprache der Schweiz spricht. In diesem Jahr werden 38 neue Wachen, Vertreter aller Sprachregionen unseres Landes, den Eid ablegen.

Dienst, gemeinschaftliches Leben und Mehrsprachigkeit

Spricht man von einer Kaserne, denkt man meist an eine Militärkaserne. In der Kaserne der Schweizergarde finden sich jedoch keine grossen militärischen Geräte oder Fahrzeuge, sondern sie ist an die Bedürfnisse ihrer Bewohner angepasst. Papst Franziskus hat den Wunsch geäussert, dass die Mitglieder mehr Platz in den Wohnungen erhalten, damit sie mit ihren Familien leben können. Derzeit müssen viele Familien aus Platzgründen ausserhalb des Viertels eine Unterkunft suchen.

Es ist einerseits ein Privileg im Schweizer Viertel zu leben, andererseits auch eine spezielle Situation. So sagte ein früherer Kaplan der Garde zu einer zukünftigen Frau eines Gardisten, dass, wer einen Schweizergardisten heirate, sich dabei stets auf das ganze Korps und alles darum herum einlasse. Er bezog sich damit auf die Dienste und das Gemeinschaftsleben, die zum festen Bestandteil eines Alltages der Schweizergarde gehören. Da er stets für den regelmässigen und den ausserordentlichen Gottesdienst zur Verfügung steht, kommt es oft vor, dass der Ehemann abwesend ist und auch an Feiertagen wie Weihnachten oder Ostern erst nach dem Gottesdienst mit der Familie feiern kann. «Mit unserem Dienst ermöglichen wir es dem Papst die Zeremonie in Sicherheit zu feiern und schaffen gleichzeitig die Möglichkeit, dass das Volk ihn sehen und erleben kann. Diese Begegnungen sind einmalig. Auch die Familien der Schweizergardisten leben in der Kaserne und sind damit fester Bestandteil der Gemeinschaft. Man trifft sich auf dem Schulweg, im Quartiert oder zu gemeinsamen Festen. Ich denke dabei an das gemeinsame Nikolausfest, die Weihnachtsfeier oder die Missionsfeier sowie an die sommerlichen Grillfeste im Ehrenhof. Leider ist das in diesem Jahr wegen COVID-19 alles anders. Aber ich hoffe, dass wir dieses Gemeinschaftsleben bald und sicher wieder aufnehmen können», erzählt Wachtmeister Urs Breitenmoser.

Bundesrat Ignazio Cassis schüttelt bei der Vereidigungszeremonie im Vatikan am 6. Mai 2019 die Hand eines Gardisten.
Eine Visitenkarte der Schweiz im Vatikan und in der Welt: So charakterisierte Ignazio Cassis die Schweizergarde anlässlich der Vereidigung am 6. Mai 2019. © EDA

In der Päpstlichen Schweizergarde werden die militärischen Befehle auf Deutsch erteilt. «Jeder Gardist bringt beim Eintritt in den Dienst seine eigene Sprache mit. Alle müssen aber möglichst rasch Italienisch lernen. Wir passen uns einander an und verständigen uns mit einer gemeinsamen Sprache. Die täglichen Gespräche mit den Menschen, die aus der ganzen Welt nach Rom reisen, um den Papst zu treffen, sind eine Bereicherung», findet Wachtmeister Breitenmoser. Jedes Korpsmitglied repräsentiert mit Stolz seine eigene Sprachregion. «Das gilt auch für die Gardisten aus der rätoromanischen Sprachregion, die am 6. Mai den Eid in der vierten Schweizer Landesprache ablegen», ergänzt Urs Breitenmoser.

Trotz der schwierigen Lage rund um die Pandemie traten viele junge Rekruten in die Garde ein. Fern von der Heimat erwarten sie viele Veränderungen: eine neue Herausforderung im Ausland, eine neue Sprache und eine neue Kultur. «Viele Gardisten verlassen ihr kleines Dorf in der Schweiz und tauchen in die grosse Caput Mundi ein. Für einige mag der Dienst für den Heiligen Vater ein nostalgisches Erlebnis sein, ganz bestimmt aber ist er eine beispiellose Lebenserfahrung, und nach zwei Jahren kehren die Gardisten reifer, selbstsicherer und mit gefestigtem Glauben nach Hause zurück», schliesst Wachtmeister Breitenmoser.

Hundertjahrfeier der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen

Das Jahr 2020 markiert das hundertste Jahr der Wiederaufnahme der offiziellen Beziehungen zwischen der Eidgenossenschaft und dem Heiligen Stuhl. Als Folge des Kulturkampfs in der Schweiz waren die diplomatischen Beziehungen zwischen 1873 und 1920 unterbrochen. Auch während dieser Zeit erfüllte die Päpstliche Schweizergarde aber ihren Auftrag, den Papst zu schützen. Neben der Päpstlichen Schweizergarde ist die Förderung des Friedens in der Welt ein weiterer Schwerpunkt in den bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Vatikan.

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