Die andere Perspektive
Der 24. Juni markiert den internationalen Tag der Frauen in der Diplomatie und bietet die Gelegenheit die Frage zu stellen, wie es Frauen in der Diplomatie ergeht und wo wir heute hinsichtlich der Geschlechterparität stehen. Eine Schweizer Diplomatin berichtet.

Anlässlich des internationalen Tags der Frauen in der Diplomatie berichtet eine Schweizer Diplomatin wie es Frauen in der Diplomatie ergeht und wo wir heute hinsichtlich der Geschlechterparität stehen. © EDA
Die Diplomatie war bis anfangs 20. Jahrhundert eine reine «Männer-Sache». Im Jahr 1923 betrat mit Alexandra Michailowna Kollontai erstmals eine Frau das diplomatische Parkett in der Rolle einer Botschafterin. 1977 folgte die Schweiz, als sie Francesca Pometta zur ersten Botschafterin des Landes ernannte. Von 1982 bis 1987 leitete sie die Ständige Beobachtermission der Schweiz bei den Vereinten Nationen in New York. Wie die Welt selbst hat sich auch die Diplomatie stetig gewandelt und weiterentwickelt.
Immer mehr Frauen streben eine diplomatische Karriere an und nehmen höhere Positionen in der internationalen Politik ein. Mehrere Aussenministerien weltweit setzen gezielt Massnahmen um, um Frauen bei Bewerbungen verstärkt zu unterstützen und zu fördern. So auch das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA): Das EDA hat sich in seinem Aktionsplan zur betrieblichen Chancengleichheit 2028 verpflichtet, die Vielfalt in all ihren Facetten zu fördern: Geschlechterparität und angemessene Vertretung aller vier Sprachgemeinschaften. Bis 2028 soll auf allen Hierarchiestufen eine gleichmässige Vertretung der Geschlechter von 45-55% erreicht werden. Ziel ist die Stärkung einer nachhaltigen, fairen und integrativen Kultur. Die zuständige Zulassungskommission achtet auf eine gleichmässige Vertretung von Frauen und Männern beim Eintritt in die diplomatische Karriere. Ein Fortschritt ist erkenntlich: 2024 lag der Frauenanteil im diplomatischen Corps bei 39.2% und stieg im Vergleich zum Jahr 2013 um 9.6%.
«Frauen Frieden und Sicherheit»
Die im Jahr 2000 verabschiedete Resolution 1325 des UNO-Sicherheitsrats stellt einen bedeutenden Meilenstein für eine inklusive Beteiligung an Friedensprozessen dar. Sie hat das Thema «Frauen, Frieden und Sicherheit» (WPS) fest auf die internationale Agenda gesetzt. Die Resolution betont die zentrale Rolle, die Frauen bei der Prävention und Beilegung von Konflikten, in Friedensverhandlungen sowie in umfassenderen friedenssichernden Massnahmen bereits einnehmen und in Zukunft stärker einnehmen sollen. Die Schweiz verabschiedete 2007 ihren ersten nationalen Aktionsplan «Frauen, Frieden und Sicherheit» im Jahre 2007, es folgten drei weitere.
Trotz des sichtbaren Fortschrittes waren im Jahr 2023 weltweit nur 21% der Botschafter Frauen, der Anteil der Schweizer Botschafterinnen im Ausland betrug 26,5%. Potenzial besteht, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Friedensabkommen um 35% eher Bestand haben, wenn Frauen am Friedensprozess beteiligt sind. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass Friedensverhandlungen eine wichtige Gelegenheit sind, bestehende Beziehungen neu zu definieren sowie einzelne Gruppen zu stärken, indem auf eine gerechte Machtverteilung hingearbeitet wird. Die Inklusion von Frauen in die Diplomatie und Friedensverhandlungen führt langfristig zu einer gerechteren, dauerhaften und friedlichen internationalen Gesellschaft. Beim Einbezug von Frauen in die Diplomatie dient somit nicht allein dem Erreichen einer Geschlechterquote, sondern dient dazu bestehende Strukturen und Machtverhältnisse neu zu definieren.
Wie ergeht es den 21% in der Welt der Diplomatie? Unsere Schweizer Diplomatin Rahel Pema berichtet:

Was war die grösste Herausforderung in Ihrer Karriere?
Mein früherer Einsatz im Kontext Nahost, in einer männlich dominierten Gesellschaft, hat mich besonders geprägt. Ich musste mir in einer Führungsfunktion meinen Platz und Respekt minutiös verschaffen, meine Kompetenzen und Professionalität gegenüber männlichen Mitarbeitenden und Aussenstehenden beweisen. Ich musste lernen, dass Abwehr gegenüber lokalen Machtstrukturen und Gepflogenheiten oft nicht zielführend sind und es darum geht, sich ohne Verbiegung anzupassen, um die eigenen Anliegen durchzubringen. Das «Frausein» kann als Instrument dienen, das Türen und Kanäle zu öffnet. Dabei gilt es nicht zuletzt über den eigenen Schatten zu springen.
Welche strukturellen Barrieren bestehen weiterhin für Frauen in diplomatischen Positionen?
Aus meiner Erfahrung sind es die teils immer noch mehr oder minder bewussten Formen der Vorurteile und Stereotypisierungen, welche uns Frauen Barrieren auferlegen. Warum wird bei einer Frau mit Kindern die Leistungsfähigkeit immer noch stärker hinterfragt als bei einem Mann in gleicher Situation? Warum werden Männer nach wie vor hauptsächlich nach fachlichen Qualitäten beurteilt, während Frauen zusätzlichen Massstäben gerecht werden müssen? Warum werden trotz moderner, wissenschaftlich fundierter Leadership-Modelle Softskills in der Führung in der Alltagsrealität oft geringgeschätzt? Es ist wichtig, die eigenen Denkmuster kritisch zu hinterfragen und explizit anzusprechen.
Verändert sich die Gesprächsdynamik, wenn Frauen am Verhandlungstisch sitzen?
Mich beeindruckt das Niveau an Professionalität und diplomatischem Handwerk im UNO-Kontext hier in New York – egal ob weiblich oder männlich. Da das Metier jedoch nach wie vor von Männern geprägt ist, haben sich interessante informelle Netzwerke etabliert, in denen sich Frauen aller Weltregionen zusammenschliessen, sich austauschen, sich verbünden, Gemeinsamkeiten vor Unterschiede stellen und nach Lösungen suchen. Das beeinflusst die Dynamiken. Es gibt aber auch die andere Realität: Frauen aller Weltregionen sitzen im Verhandlungssaal und debattieren den Status der Frauen in der Welt. Und Frauen vertreten Positionen ihrer Regierungen gegen Frauen. Da ist schwierig zu verstehen.